Aus dem Geiste Brechts
All jene Inszenierungen von «Tristan und Isolde», die wirklich in die Interpretationsgeschichte eingegangen sind, bedienen Wagners äußerlich so aktionsarme «Handlung» und ihren hochromantisch gestimmten Lobpreis der Nacht mitnichten. Die feministische Kommunistin Ruth Berghaus verbot ihren Darstellern in Hamburg gar dezidiert jegliche Geste des Verliebtseins und verlegte das Geschehen kurzerhand in kosmische Sphären.
Auch ihr linker Ostberliner Schriftstellerkollege Heiner Müller zwängte seine Wagnerheroen in Bayreuth ins choreographische Korsett, schaltete zum Höhepunkt des Liebesduetts dann einfach das Licht aus.
Noch einen Schritt weiter ging nun Tiago Rodrigues in Nancy und wendete die Maximen des epischen Theaters mit maximaler Konsequenz (glücklicherweise nicht ideologisch verengend, sondern mit einigem Humor) auf das kompositorisch kühnste Opus des Gesamtkunstwerkers an. Dabei gerät das Gipfeltreffen von Richard Wagner und Bertolt Brecht glückvoll. Tiago Rodrigues inszenierte an der Opéra national de Lorraine seine erste Oper überhaupt und wagte gleich eine Extraportion an emotionaler Distanzierung. Der portugiesische Schauspieler, Dramaturg, Regisseur und aktuelle ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Peter Krause
Es hat seine Richtigkeit, dass das Meer in Deborah Warners «Peter Grimes»-Inszenierung, die nach Madrid 2021 und London 2022 jetzt im Pariser Palais Garnier Premiere hatte, unsichtbar bleibt. Allenfalls sind Gischt und Wellen hinter der vom Bühnenvorderrand rückwärts ansteigenden grobgrauen Rampe zu erahnen, als ob es unterhalb dieser Klippe brodelte. In den...
Gleich vielen Figuren in den Dramen von Tschechow kommt auch Tschaikowskys Tatjana das landadelige Leben mit seinen bescheidenen Abwechslungen allzu unaufgeregt vor. Die junge Frau flüchtet sich daher in die Welt der Dichtung; für Mutter und Schwester sowie den langweiligen Alltag um sie herum erübrigt sie kaum einen Seitenblick. Da ist es kein Wunder, wenn eines...
Claudio Monteverdis «L’incoronazione di Poppea» ist inzwischen die wohl populärste, meistgespielte Barockoper. Das freche, respektlose Libretto verabschiedet die Sphäre des gestelzten Mythos und landet mit der Sex-and-Crime-Handlung aus dem alten Rom im menschlichen Alltag. Wie das «Dschungelcamp» heute zeigen uns schon Monteverdi und sein Librettist Giovanni...