Leise flehen meine Lieder
Hoffnung klingt anders. Traurig und trist tropfen die Achtel von der imaginären Decke herunter, fallen auf schwere, quer im Raum verteilte Halbnotensäulen. Und dann diese Tonart! D-Moll, das riecht nach Unheil, Schmerz, nach Tod. Dennoch versucht es der Dichter, mit einer triolischen, sich behutsam aufrichtenden Phrase und mit jenen Worten, die dem Komponisten Franz Schubert seit dem Tag, da er sie vertonte, wohl nicht mehr aus dem Sinn kamen, weil sich in ihnen seine ganze Sehnsucht ausdrückte.
«Leise flehen meine Lieder durch die Nacht zu dir; / in den stillen Hain hernieder, Liebchen komm zu mir!»
Das «Ständchen» auf Verse von Ludwig Rellstab gehört zu Schuberts berühmtesten Liedern, es ist häufig gesungen worden. Aber selten so innig, so berührend wie hier: Andrè Schuen und sein fantastischer Klavierpartner Daniel Heide deuten es ohne jede Larmoyanz, dabei ganz aus dem Geist der Romantik, dem Reich der übertriebenen und überzeichneten Gefühle. Nur sind diese Gefühle in einen sanften Stimm- und Klavierklang eingebettet. Sie stoßen nicht ruckartig hervor, sondern fließen fast episch dahin. Erst bei dem Wörtchen «ach!» dehnt Schuen, kaum spürbar, die Melodie, so als wolle er ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 19
von Jürgen Otten
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