Staunen will ich, staunen!

Im ersten Leben war er Orchestermusiker, im zweiten ist Johannes Erath zu einem der besten Opernregisseure avanciert. Ein Gespräch über Emotionen, Macht, die Kunst des Verzeihens sowie die Frage, warum Gold an sich keinen Wert besitzt

Herr Erath, träumen Sie manchmal in Farbe?
(lacht) Ich glaube, eher selten. Aber ich träume generell viel. Und Oper ist für mich eigentlich immer eine Form von Traumerzählung.

Was findet in dieser Traumerzählung statt?
Sehr viel, einfach schon durch die Setzung: Was Oper genuin ausmacht, sprich: das gesungene (und eben nicht gesprochene) Wort, ist die Tatsache, dass jeder Moment sehr realistisch anmutet, zugleich aber durch die Setzung im Endeffekt immer schon surreal ist; dadurch besitzt das Ganze etwas viel Traumhafteres.

Und Träume haben mich schon immer fasziniert, weil sie etwas über eine unbewusstere Ebene in uns erzählen, mit einem Wort: Das sagt sich nicht. Darin liegt für mich immer die Absurdität: dass man als Regisseur etwas sagt, obwohl das Medium etwas anderes ist, und somit vor die Schwierigkeit gestellt ist, etwas zu erklären, was alle wissen. Denn es ist die Musik, die im Moment ihres Erklingens das Unsagbare transportiert. Dies als Regisseur durch die Hintertür zu «erklären», ist nicht nur absurd, es ist auch problematisch.

Wie umgehen oder wie lösen Sie das Problem? Durch Bilder? Bilder schauen uns an, denken wir nur an Werke von Gauguin, van Gogh oder Munch. ...

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Opernwelt Januar 2022
Rubrik: Interview, Seite 36
von Jürgen Otten

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