Für einen Moment Glück

Tatjana Gürbaca inszeniert am Theater Bremen mit dem «Schlauen Füchslein» erstmals ein Werk von Leoš Janáček, Marko Letonja verleiht der Kammerfassung von Jonathan Dove höchste Trennschärfe

Bäume? Sucht man vergebens. Ameisenhügel, Haselnüsse, Tannenzapfen? Fehlanzeige. Vogelgezwitscher? Hört man nur im Orchester, dort aber überaus erquicklich und auch in der Folge in glücklichster Trennschärfe; die Kammerfassung von Jonathan Dove ist wirklich famos und wird von Marko Letonja, Bremens neuem GMD, exakt auch so dirigiert. Auf der Bühne aber ist die Natur abwesend. Vor uns eine schmucklose Manege, die sich schräg nach vorne neigt, wie eine Rutschbahn (des Lebens), und so gut wie keinen Halt bietet, in der Mitte eine einsame, hässliche Metallstange.

Auch die «Blaue Libelle» flattert nicht umher, sondern windet sich in Gestalt einer Vertikaltuchakrobatin (Nina Ronge) schlangengleich nur um geknotetes Leinen: turnerisch anmutige Vorführung als Surrogat für ein Waldleben, das es so nicht mehr gibt. Welt, bist du wirklich so leer und kalt?

Natürlich nicht. Doch gleich mit dem ersten Bild entscheidet sich Tatjana Gürbaca dafür, Janáčeks Musiktheater mit dem nach wie vor falschen Titel «Das schlaue Füchslein» (wörtlich übersetzt müsste es «Die Abenteuer der Füchsin Bystrouschka» heißen) nicht als bunte Fabel, sondern als Parabel zu erzählen. Menschen und Tiere sind Menschen. ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Dezember 2021
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Neue Wege

Zahlreiche Uraufführungen und Theaterskandale hat das Théâtre des Champs-Élysées im teuersten Quartier von Paris einst gesehen, so etwa Strawinskys «Sacre»-Ballett mit Vaslav Nijinsky. Heute ist das Theater ein Spielort des internationalen Konzertbetriebs und exquisiter Opernprodukionen, häufig aus dem Segment der historischen Aufführungspraxis.

Claude Debussys...

Loblied auf die Liebe

Die Verwirrungen der Liebe, sie sind enorm in diesem Stück. Doch der moralische Kommentar der Autoren bleibt aus. Nur der kleine Satyr kommentiert das Geschehen mit verschmitzter Außensicht: «Pazzi quei, ch’in Amor credono». Sind nicht all jene, die Amor vertrauen, Verrückte? Vermutlich schon. Und insbesondere die Frauen bekommen ihr Fett ab. «Così fan tutte» wird...

Dichterliebe

Das Glück ist eine zarte Pflanze. Fragil ist es, stetig in Gefahr, geknickt zu werden und denjenigen, der es gerade noch in Händen zu halten glaubte, in die Verzweiflung zu treiben. Und wenn einer weiß, wie sich das anfühlt (und wie man davon in leidenschaftlichsten Tönen singt), dann ist es Jaufré Rudel, jener sagenhafte Troubadour, dem die Frauen hundertfach zu...