Gemeinsam empfinden
Das Dirigentenzimmer im fünften Stock des Opernhauses besticht durch sachliche Eleganz: blaue Auslegeware, schwarze Sofagarnitur, Besuchertisch und Stühle, im Regal aufgereiht Partituren. An der Garderobe hängt ein schlichtes schwarzes Abendkleid, auf einer Kommode steht eine Dose Kaugummis, daneben ein Parfümflakon. Viel hat sie noch nicht mitgebracht, die Neue, aber auf dem Schreibtisch steht bereits ihr elektrischer Anspitzer für die Stifte, die zahlreich parat liegen; ein Tischstaubsauger entfernt die Hinterlassenschaften des Radiergummis.
Anna Skryleva, Anfang 40, schwarz gekleidet, die blonden Haare am Hinterkopf gebändigt, legt die Noten von Leokadiya Kashperovas h-Moll-Symphonie auf den Tisch. Sie kommt gerade von der Probe, in wenigen Tagen findet das erste Konzert der Spielzeit mit der deutschen Erstaufführung dieses Werks statt. Es ist Skrylevas Einstand auf der Bühne als Magdeburgs Generalmusikdirektorin.
Aber eigentlich ist ihr dieser Titel zu kompliziert. Stattdessen begrüßt die gebürtige Moskauerin die Zuschauer in ihrem Blog mit «Hallo, ich bin Anna!» Sie will Ängste abbauen, ins Gespräch kommen, dem Publikum nah sein und auch ihrem Orchester. Ein Video zeigt ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt November 2019
Rubrik: Magazin, Seite 76
von Nora Sophie Kienast
Sie liebkost jedes Wort, kostet Farbschattierungen ganz subtil aus, verströmt eine gebirgswassersprudelnde Klarheit. Der Gesang von Mari Eriksmoen ist auf jene natürliche Weise kunstvoll, dass selbst zu viel gesungenes und zu viel gehörtes Liedgut wie das «Ständchen» von Richard Strauss oder die «Widmung» von Robert Schumann die Unmittelbarkeit und den Zauber des...
Der Frankenstein-Stoff ist derzeit schwer en vogue: In der Nebenspielstätte «Tischlerei» der Deutschen Oper Berlin kam 2018 Gordon Kampes collageartiges Musiktheater zur Uraufführung, kurz darauf folgte auf Kampnagel (als Auftragskomposition der Hamburgischen Staatsoper) Jan Dvořáks Version, basierend auf einer Schauspielmusik, die er 2014 für das Theater Basel...
Der Komponist fehlte. Auch der Regisseur war nicht vor Ort, als an der Opéra national du Rhin nach der Premiere von «4.48 Psychosis» der Applaus losbrach. In atemlose Stille – als helfe das Klatschen dabei, ins Diesseits zurückzufinden nach dem vergeblichen, von Schreien, Flüstern und pochendem Schweigen perforierten Kampf gegen die Übermacht der Depression, den...