Fantasien eines Autisten
Wie einem Märchenbilderbuch entsprungen spielen nach altrussisch-folkloristischer Manier gewandete lebende Puppen die Geschichte vom Zaren Saltan, der sich unter drei Schwestern eine Braut erwählt. Er verstößt seine Gattin jedoch, weil sie ihm, als er in den Krieg gezogen ist, angeblich statt eines heldenhaften Prinzen ein Monster geboren habe. Dahinter steckt freilich eine ihm per Brief übermittelte Rache-Mär der zu kurz gekommenen Schwestern und der bösen Base Babaricha.
In der Neuinszenierung von Nikolai Rimsky-Korsakows «Märchen vom Zaren Saltan» an der Brüsseler Monnaie-Oper wird die Vorgeschichte, in der die Zarin Militrissa und der Zarewitsch in ein Fass gesperrt und aufs Meer hinausgetrieben werden, in deftigen Bildern geboten.
Der Regisseur hieße nicht Dmitri Tcherniakov, wenn die Handlung platt durchbuchstabiert würde. Das Märchen ist bei ihm in eine ernste, gar beklemmende Rahmenhandlung eingebettet. Das Geschehen spielt sich in der eingehegten Fantasiewelt des von Zwangsvorstellungen geplagten Prinzen Gwidon ab. Mit einer raffinierten Kombination aus realer Aktion von Sängern und Chören und der Projektion animierter, an Cartoons erinnernder naiver Zeichnungen ...
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Opernwelt August 2019
Rubrik: Panorama, Seite 36
von Josef Oehrlein
Wie Frauen sind? Wankelmütig sind sie. Und gerade dafür muss man sie lieben, immer und überall. Das weiß auch der Herzog von Mantua, der, ausgestattet mit einer zweiten (studentischen) Identität, um die schöne Gilda scharwenzelt, wissend, dass sie ihm im Grunde längst verfallen ist. Dieses Sieges gewiss, stimmt er jene berühmte Kanzone an, die bis heute Kultstatus...
Der Gefangenenchor ist ganz wunderbar gelungen. So leise im Ansatz, so gemäßigt im Ausbruch, so liebevoll in der klanglichen Zuwendung ist dieses Zentralstück im Repertoire des radiophonen Wunschkonzerts selten zu hören – der erweiterte Chor des Opernhauses Zürich, von Janko Kastelic vorbereitet, zeigt hier, was er kann. Überhaupt öffnet sich ab dem dritten der...
Der Prolog fehlt. Keine Debatte darüber, wer die einflussreichste allegorische Figur auf der Bühne ist. Fortuna, die Schicksalsgöttin, und Virtù, Vertreterin von Tugend und Tapferkeit, sind erst gar nicht angereist. Nur Amor ist erschienen, um den Menschen stupende erotische Energien einzuflößen. Allein, das Singen hat auch der Liebesgott anscheinend verlernt....