Countertreff
Er war groß, athletisch und charmant, trug Spitzbart und ständig eine Pfeife im Mund – außer natürlich bei seinen Konzertauftritten. Und er führte stets Fotos seiner Kinder mit sich, zum Beweis, dass eine hohe Stimme im männlichen Körper nichts mit reduzierter Virilität zu tun haben musste: Alfred Deller. Insbesondere dem Contra-Tenor aus dem englischen Margate ist es zu verdanken, dass die bis dahin lange verstummte Kunst des Falsettgesangs nach dem Zweiten Welkrieg wieder eine konkrete Stimme bekam.
Als Deller im Alter von 67 Jahren 1979 starb, hatte diese Art des Singens in höheren Sphären bereits feste Wurzeln geschlagen – und das ganz ohne Beteiligung des «coltellino», des Messerchens. Nach einer zweiten Generation der «neuen» Countertenöre wie James Bowman, Paul Esswood, René Jacobs in den 1970er-Jahren war bereits eine dritte auf dem Weg (unter anderem mit Jochen Kowalski). Heute sind wir, wenn man diese Aufstellung berücksichtigt, bei der sechsten angelangt, repräsentiert unter anderen durch Valer Sabadus und Tim Mead, deren Recitals hier besprochen werden. Mit dem jungen Jakub Józef Orliński scheint aber schon eine siebte Generation die Bühne zu betreten.
Tim Mead ist ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 22
von Gerhard Persché
Auf den Aufstand der Matrosen ist man in Kiel mächtig stolz. Als Helden einer Erhebung werden sie heute verehrt, die das morsche Kaiserreich zum Einsturz brachte. Als mutige Vorkämpfer der ersten Demokratie auf deutschem Boden. Der Platz zwischen Hauptbahnhof und Hörn, dem südlichen Hafenbecken, trägt seit 2011 ihren Namen, und in der alten Fischhalle am Wall...
Galant, taktvoll sind solche PR-Jubiläen ja weniger. Zwei Jahrzehnte liegt die CD-Großtat zurück, ganze drei die Unterschrift unter dem Exklusivvertrag mit dem Label – wer mag da nicht gleich Altersberechnungen anstellen? Cecilia Bartoli kümmert das mutmaßlich wenig, weil man es ihr vor allem nicht anhört. «The Vivaldi Album» elektrisierte 1999 die Musikwelt und...
Nun hat der neue Musikchef also offiziell seinen Einstand gegeben. Mit einer neuen «Traviata», die Willy Deckers legendäre, aus Salzburg übernommene Inszenierung (2010) ersetzt. Wie ein Held wurde Yannick Nézet-Séguin schon gefeiert, bevor der erste Takt der Ouvertüre erklungen war. Als der Dirigent nach der Premiere den frenetischen Schlussapplaus entgegennahm,...