Luftgymnastik
Die Dame trägt Rot. Lang an ihrem schmal-schlanken Körper herabfließendes, samtenes Rot. Steht ihr gut, wo sie doch jetzt die (attraktive) Gattin eines (einfluss-)reichen Mannes ist, nicht mehr nur Bild für die anderen. Also spielt Lulu, die seit Menschengedenken diesen Namen nicht mehr trägt, die ihr zugedachte Rolle, spielt sie mit versuchter Würde. So ganz klappen will das aber nicht, die Vergangenheit nagt unverhohlen an ihr, hat sich in ihren Poren eingenistet wie ein Menetekel. Oder wie ein Kainsmal. Lulu bleibt die umittelbar-erotische Versuchung, unglückbringende Verheißung.
Bis hierhin ist alles gut und richtig in Matthias Kaisers Inszenierung. Aber genau das ist das Problem. Es ist alles nur richtig. Nie kühn oder verwegen. Oder anders. Verstörend. Irritierend, inspirierend. Seine Lulu kennen wir bereits, sie entlockt uns kein Staunen mehr, wie auch Bergs Partitur von Timo Handschuh und dem Philharmonischen Orchester der Stadt Ulm lediglich referiert und nicht nach Zwischentönen, nach verborgenen psychischen Deformationen durchsucht wird. Das Stück, hier tritt es uns entgegen als ein beinahe aalglattes, mit Konventionen der Ironie getünchtes Gesellschaftsstück, ohne ...
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Opernwelt April 2017
Rubrik: Panorama, Seite 56
von Jürgen Otten
Frau Bartoli, Ihre gerade in Versailles gezeigte «Cenerentola» war ursprünglich als semikonzertant angekündigt. Das war aber doch mehr.
Wie wunderbar, nicht wahr? Eine sehr außergewöhnliche Besetzung in einer sehr außergewöhnlichen Atmosphäre. Ich empfand das als einen Abend der Superlative. Wir alle wollten dasselbe, waren im absoluten Gleichklang – das ist doch...
Das Stück ist sakrosankt, unantastbar. Vollendete Vokalkunst. Und einer der tristesten Klagegesänge der Musikgeschichte. «When I am laid in earth», Didos Weltabschiedsarie, trägt den Schmerz einer ganzen Epoche in sich, ist aber zugleich von einer so ätherischen Schönheit, dass man das Leben im Jenseits fast schon wieder als wunderbar imaginieren möchte. Der Tod...
Benjamin Britten war skeptisch. Vermutlich, so schrieb er nach Vollendung seines «Peter Grimes», werde kaum jemand die Oper auf der Bühne ertragen können. Warum, zeigt die Arbeit des jungen österreichischen Regisseurs Philipp M. Krenn. Er verortet das Stück, ganz im Sinne Brittens, an der Schmerzgrenze zum Unerträglichen. Krenns Inszenierung zeigt den Titelhelden...