Weitgehend unerlöst
Das Barock glänzte im vergangenen Jahrzehnt am Mannheimer Nationaltheater durch Abwesenheit. So ist es durchaus als programmatischer Aufbruch zu begrüßen, wenn Albrecht Puhlmann gleich als zweite Premiere seiner Intendanz ein Werk Händels auf den Spielplan setzte. Allerdings ist «Hercules» keine Oper, sondern ein «musikalisches Drama» – so die explizite Gattungsbezeichnung –, das die Dramaturgie des neuen, englischsprachigen Oratoriums auf einen Stoff der antiken Tragödie überträgt.
Im Zentrum der Handlung, die Sophokles’ Tragödie geradezu auf den Kopf stellt, steht aber nicht der Halbgott Herkules, sondern seine Gattin Dejanira, die – wie Shakespeares Othello – in grundlos zwanghafter Eifersucht die Katastrophe herbeiführt. Als sie sieht, was sie angerichtet hat, verfällt sie dem Wahnsinn. Händels Musik mit ihren düsteren Farben leuchtet in fast klinischem Realismus die seelischen Abgründe der Hysterikerin aus. Dejaniras (auch formal) zerrissene Wahnsinnsszene, mit der sie auf den Tod ihres Liebsten reagiert, gehört zu den erschütterndsten Eingebungen Händels; der emotionale «Jealousy»-Aufschrei des Chors steht dem kaum nach. Selbst das apotheotische Happy-End der ...
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Lugo di Romagna – 32 000 Einwohner, zwischen Bologna und Ravenna gelegen – besitzt seit 1761 ein Juwel der italienischen Opernkultur: das kleine Teatro Rossini (450 Plätze). Eine gefühlte Ewigkeit lang ruhte der Betrieb, erst vor drei Jahrzehnten wurde es nach einer denkmalgerechten Sanierung wiedereröffnet: als Sitz des Lugo Opera Festivals. Gezeigt wurden...
In einem Interview mit dem Berliner «Tagesspiegel» hat Barrie Kosky bereits 2013, kurz nach seinem Amtsantritt als Intendant der Komischen Oper, den Dreisatz verraten, mit dem er die in Deutschland so schlecht beleumundete Operette zu neuem Leben erwecken will: «Du musst den Stil lieben, du musst die Stücke mit Stars besetzen, und du musst dich darauf ...
«Spezialisten», meinte Nikolaus Harnoncourt vor Jahren im Gespräch mit dem Schreiber dieser Zeilen, «betrachte ich mit Misstrauen. Denn wenn ich etwa nur Musik des Barock spiele, verliere ich den Kontakt zu dem, was künstlerisch sonst noch geschah und geschieht. Das Blickfeld wird eng, was man auch der Interpretation anhört ...» Wenngleich die älteste zur...