Wagemutig
Charlotte und Werther verheiratet? Eltern eines ansehnlichen Sohnes? Ergraute Ruheständler, die unter dem Weihnachtsbaum Goldene Hochzeit feiern? Von Anfang an sehen wir den Helden in einem abgewetzten Sessel sitzen, in großen Zügen harte Sachen trinken und mit einem Behältnis spielen, das jene fatalen Pistolen enthält, die er sich Ende des dritten Akts von Albert ausleihen wird. Wir haben es fraglos mit einer «provokanten» Inszenierung zu tun.
Rosetta Cucchi, bislang vor allem mit auf exzessive Gewalt fixierten Regiekonzepten aufgefallen, legte die action diesmal zweispurig an, in einer Art Nürnberger Puppenstuben-Ambiente: Die im Libretto geschilderten Ereignisse leben nur noch in Werthers Erinnerung, seine Gegenwart bildet die längst angebrochene Zukunft, nach der er sich damals, so Cucchis Hypothese, angeblich sehnte: nicht nach romantischer Ekstase, sondern nach dem bürgerlichen Ehestand. Doch das geordnete Glück scheiterte, weil Charlotte der toten Mutter verfallen war, in blindem Gehorsam. Durch fast alle Szenen spukt ihr Porträt. Die Handlung spult in Rückblenden ab, Doppelgänger «spielen» die erinnerten und imaginierten Figuren – bis der Film plötzlich ...
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Es muss nicht an einer germano-zentrischen Haltung liegen, gepaart vielleicht mit gewisser Überheblichkeit. Dass das Liedschaffen französischer Komponisten hierzulande kaum eine Rolle spielt, hat vor allem mit der Sprache zu tun. Mit dem Erfühlen und Erfüllen von Nuancen, mit dem (auch hörenden) Bewusstsein für die Delikatesse von Färbungen, Lautformungen und...
Der Winter zieht hier nicht als Bedrohung ein. Groß sind die «Flocken», die aus schwarzen, aufgerissenen Säcken quellen, rund, weiß und leicht. Ein Bällebad, in dem man untergehen, wieder auftauchen und sich treiben lassen kann. Es ist ein poetisches Spiel mit Chiffren und Symbolen, das Regisseur Torsten Fischer da treibt, mehr Shakespeare als Schenkelklopfer....
Während Wien im Dezember oft in diffuses, schattenloses Grau getaucht scheint, das so manchen in Schwermut stürzt; während die meisten Menschen zu Advent, der vermeintlich stillsten Zeit des Jahres, der Depression mit unbarmherziger Betriebsamkeit beizukommen suchen, schenkt die Wiener Staatsoper zumindest den Opernfundis das Glückshormon Serotonin: Endlich...