Flieg, Schmetterling, flieg!
Der Tod trägt zwei Kreuze. Wie bei Mimì. Jetzt verabschiedet sich auch Cio-Cio-San, ihre Schwester im Geiste, in h-Moll aus dem Diesseits – würdevoll, wie es die Tradition verlangt. Ihr Suizid bedeutet den Umschlag des Tragischen ins Erhabene, den Triumph des individuellen Willens. Wie hat es Kirilow, Dostojewskys Held, postuliert: Im Freitod liegt die einzige Freiheit des Menschen.
Madama Butterfly wählt ihn, um der Schande zu entgehen, und sie ist in diesen Sekunden, wo sie sich mit dem Dolch, den sie aus den Habseligkeiten ihres Vaters in die Ehe mit Pinkerton eingebracht hat, die Halsschlagader durchtrennt, alles andere als ein Schmetterling, zerbrechlich wie dünnes Glas: Sie ist eine Königstochter.
Alvis Hermanis sucht in Mailand nicht nach dem Schrecken des Todes. Er sucht das Ritualhafte darin, die einsame, stolze Entscheidung. Maria José Siri verkörpert beides von Beginn an. Nie bricht ihr Sopran aus ins Ekstatische, stets besticht er durch diskrete Zurücknahme, durch unterschwellige Energetik mehr als durch jenes outrierte Agieren, wie es – rollenaffin – Bryan Hymel als Pinkerton zu eigen ist. Fast scheint es, als habe sie dieses Ende lange im Voraus ...
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Der enthusiastische Dilettant war seit je ein geheimer König im Musik- und Theaterleben des Vereinigten Königreichs. Deswegen scheint es nicht so unwahrscheinlich, dass Henry Purcells «Dido and Aeneas» zunächst als Schulaufführung präsentiert wurde, und zwar 1689 in Josias Priests Mädchenpensionat in Chelsea. Priest war freilich zugleich Ballettmeister am...
Es ist noch nicht lange her, dass Pergolesis «Stabat mater» wie selbstverständlich zum Repertoire von Opernstars wie Mirella Freni oder Teresa Berganza gehörte und von diesen in jenem Stil gesungen wurde, den sie auch auf der Bühne pflegten. Wie eine Vielzahl von Aufnahmen belegt, ist das Werk mittlerweile zur Domäne von Sängerinnen und Sängern geworden, die...
Er war gerade 28 Jahre jung, als er mit New Yorks Philharmonikern einen echten Coup landete: Bei einer Aufführung von György Ligetis «Le Grand Macabre» stand er als Fürst Go-Go auf der Bühne, neben Stars wie Barbara Hannigan (Gepopo) und Eric Owens (Nekrotzar), und machte mächtig Eindruck. 2010 war das. «Selten hatte ich so viel Spaß wie mit der brillanten...