American Gothic
Mit «American Gothic» hat Grant Wood 1930 eine Ikone der amerikanischen Malerei geschaffen. Das Bild ist wie ein Porträtfoto aufgebaut: Ein Farmerpaar posiert vor Haus und Scheune. Der Mann: Sonntagsjackett über der Arbeitskluft, eine Heugabel als Stecken; die Frau: geplätteter Kittel über dem schwarzen Kirchkleid, das blonde Haar streng nach hinten gescheitelt. Die Blicke gehen ins Leere, die Mienen sind erstarrt. Ein Zeugnis der Great Depression. Exakt ausgepinselt ist das, penibel arrangiert.
Der Realismus dieser Szene indes ist nur Oberfläche, ein Firnis, der den inneren Alpdruck der Figuren verhüllt. Ganz ähnlich verhält es sich mit einem anderen Werk, das es in Amerika nie zu ikonischem Rang brachte: Samuel Barbers «romantischer» Oper «Vanessa». Im Januar 1958 an der Met uraufgeführt, bald darauf in Salzburg vorgestellt, galt die zwischen Strauss, Puccini und Schreker changierende Partitur als alter Zopf. Dabei liegt es nahe, Barbers – teils zitierendes, teils anverwandelndes – Festhalten an Mustern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als idiosynkratische Produktivkraft zu verstehen: Überliefertes wird zu Eigenem transformiert. Hinter dem scheinbar konservativen Anstrich ...
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Opernwelt Dezember 2016
Rubrik: Magazin, Seite 77
von Albrecht Thiemann
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