Totenkopf und Teufelshörnchen
So problematisch Arrigo Boitos ideengeschichtliche Dämpfung der Erstfassung seines «Mefistofele» und der Rückgriff auf Elemente des traditionellen italienischen Melodramma sein mögen, das Werk enthält in seiner finalen Gestalt von 1875 etliche saftige Stücke fürs melomane Publikum und szenisch Packendes. Man muss das Lob ja nicht so überziehen wie Bernard Shaw, der meinte, man könne eher auf Verdis «La traviata» als auf «Mefistofele» verzichten. Unter den Opern der zweiten Reihe hat sie jedenfalls das Potenzial zu erstklassiger Wirkung.
Wo die Tücken liegen, zeigte zuletzt die Münchner Produktion, bei der weder der Dirigent Omer Meir Wellber noch der Regisseur Roland Schwab überzeugten (siehe OW 12/2015). Ein gewisses Wagnis also, dass die Pfingstfestspiele in Baden-Baden, wo Andreas Mölich-Zebhauser eher auf Nummer sicher geht, mit dem Werk eröffnet wurden. Offenkundig setzte der Intendant auf die Performance von Erwin Schrott in der Titelpartie. Eine der wenigen für Bässe; entsprechend lang ist die Liste der großen Rollenporträtisten von Fjodor Schaljapin, Nazzareno de Angelis, Cesare Siepi, Boris Christoff, Nicolai Ghiaurov bis Samuel Ramey. Dazu wurde ein Luxus-Orchester im ...
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Opernwelt Juli 2016
Rubrik: Panorama, Seite 32
von Götz Thieme
Plüschig geht es nicht zu im Palast von Mustafà, dem Bey von Algier. Mag das Théâtre du Capitole auch ein wenig nach Puppenstube aussehen – auf der Bühne herrscht die blanke Moderne. Der Bey bewohnt ein Penthouse, natürlich mit Meerblick. Alles ist blendend weiß und sehr übersichtlich. Hier gibt es keine Serailgemütlichkeit, aber auch keine islamistischen...
Die Klassiker sind einfach nicht wegzudenken aus dem Repertoire. Das gilt auch für Rossinis exakt 200 Jahre alten «Barbier von Sevilla», der selbst angesichts einer Schwemme von Ausgrabungen, die inzwischen noch das obskurste Werk des italienischen Komponisten aus der Versenkung gespült hat, immer seine beliebteste Oper sein dürfte. Und bei einer schlagenden...
Schwer zu sagen, wem das Copyright für dieses wunderschrundige Theater der Vergeblichkeit gebührt. Für diese tragikomischen Gestalten mit starrem Blick und wachem Ohr, denen das Leben längst entglitten zu sein scheint. Für die hinterlistig verschrobenen, aus Musik und schwarzem Humor gewonnenen Geschichten, die uns so rätselklar anspringen. Immer wieder. Seit sie...