Drahtig, federnd
André Campras «Tancrède», 1702 an der Pariser Oper uraufgeführt und für einige Jahrzehnte ein Erfolgsstück, stellt aus heutiger Sicht ein Bindeglied zwischen den Opern Lullys und Rameaus dar. Der rezitativische Deklamationsstil der noch jungen französischen Oper verbindet sich hier mit dem Melodienreichtum der Italiener. Das Libretto greift eine Episode aus Tassos «Gerusalemme liberata» auf, die schon von Monteverdi vertont wurde: die tragisch endende Liebesgeschichte zwischen dem christlichen Kreuzritter Tancrède und der sarazenischen Amazone Clorinde.
Campra hat hier ein Gesamtkunstwerk geschaffen, in dem Dichtung, Musik und Tanz gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Der Autor Antoine Danchet war kein gewöhnlicher Verseschmied, sondern sucht den hohen Ton der Dramen Corneilles und Racines. Das Ballett dient nicht allein dem Divertissement, sondern hat eine herausragende dramaturgische Bedeutung. Der zentrale dritte Akt, Isménors Zaubergarten, lässt an den Venusberg, aber auch an Klingsors Reich denken. Hier zeigen sich besonders Campras charaktervolle Instrumentationskünste, speziell im «Gesang der klagenden Bäume».
Jean-Claude Malgoire hat das lange vergessene Werk in den ...
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Opernwelt Dezember 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 20
von Ekkehard Pluta
Eine Dramaturgie der feinen Art: Intendant Marc Clemeur bezieht an der Opéra du Rhin «Ariane et Barbe-Bleu» von Dukas (siehe OW 6/2015) auf Faurés wenig später entstandene «Pénélope» und gibt sie demselben Regisseur. So entsteht ein ungewöhnliches Diptychon: zwei Opern, die Opernhaftes hinter sich lassen, sich introvertiert geben und doch auf ehrgeizige Weise...
Simon Boccanegra» gehört, wie «Macbeth» und «Don Carlos», zu den experimentellen Opern Verdis und hat wie diese erst nach einer gründlichen Überarbeitung seine endgültige Gestalt gefunden. Das Werk enthält keine eingängigen, populären Melodien, zudem erschwert eine krause Handlung die Rezeption. Abramo Basevi, Autor der ersten Verdi-Monografie, will das...
Er ist in vielem fragwürdig, zugleich aber hintergründig faszinierend, dieser «Hoffmann» aus Madrid (siehe OW 7/2014). Musikalisch fällt das Arrangement des Quellenmaterials durch Sylvain Cambreling mit den nachkomponierten Rezitativen Ernest Guirauds noch hinter die überholte Oeser-Fassung zurück. Szenisch lässt Christoph Marthaler in der Schwebe, ob Hoffmann...