Explosiv

Thierry Escaichs «Claude» aus der Opéra de Lyon

Opernwelt - Logo

Die blockhaften Akkorde, die Harmonieschleifen, der harte Puls, die kantige Dynamik – ein wenig erinnert der Orchestersatz schon mal an Bruckner, der bekanntlich in Sankt Florian und Linz die Orgelbank drückte. Aber auch an Minimal Music Patterns  und: die heute fast nur noch im Jazz und von Kantoren gepflegte Kunst des formgebundenen Extemporierens.

Dass Thierry Escaich von Hause aus Organist ist, hört man seiner ersten Oper an: eine «aufwühlend explosive Musik, die häufig wie improvisiert klingt», schrieb Gerhard Persché über die Uraufführung von «Claude», einem Auftragswerk der Opéra de Lyon (siehe OW 5/2013). Escaichs expressive Klangbögen überwölben eine durch Victor Hugo inspirierte homoerotische Passionsgeschichte, die während der industriellen Revolution in einem Lyoneser Gefängnis spielt. Der Bariton Jean-Sébastien Bou (Claude) und der Counter Rodrigo Ferreira (Albin) verkörpern das gewaltsam getrennte Paar mit hingebungsvoller Empathie. Die Schwächen des holzschnitthaft-naturalistischen Librettos von Robert Badinter können sie allerdings ebenso wenig ausbügeln wie die oft allzu plakative, auf einen rotierenden Zellenbau (Pierre-André Weitz) fokussierte Inszenierung ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Juli 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 22
von Albrecht Thiemann

Weitere Beiträge
Melancholia

Der 1979 geborene englische Countertenor Iestyn Davies ließ in den letzten Jahren immer wieder aufhorchen. Während er im angloamerikanischen Bereich bereits einen Namen besitzt und schon zweimal mit dem begehrten «Gramophone Award» ausgezeichnet wurde, ist er hierzulande noch wenig bekannt – 2013 sang er bei den Münchner Festspielen in George Benjamins Oper...

Im Austausch mit der Welt

Das Wesentliche lässt sich nicht immer in Worte meißeln, Auslassungen sind auch in der Kunst nicht das Schlechteste. Drei rosa Punkte leuchten an der Fassade des Luzerner Theaters, das mit diesem Signet seinen 175. Geburtstag markiert. Die Pfiffigkeit, mit der gefeiert wird, ist bezeichnend dafür, wie der Intendant Dominique Mentha das Haus auf Vordermann gebracht...

Der Tor und die Trolle

Natürlich ist es reiner Zufall, dass zeitgleich zur Braunschweiger «Peer Gynt»-Premiere in München NS-Kunst aus dem Depot geholt und mit Zeitgenossen konfrontiert wurde. Wird da aus dem Keller heraufgezerrt, was im Rahmen einer (verspäteten) Entnazifizierungsdebatte dorthin verbannt wurde? Auch in Cottbus war Werner Egks Ibsen-Destillat aus dem Jahr 1938 ja...