Träume zu vermieten

Martinu: Juliette Zürich / Opernhaus

Opernwelt - Logo

Ob das Städtchen wirklich existiert, jener Küstenort, zu dem der Pariser Buchhändler Michel sich aufmacht? Den Bahnhof, auf dem er ankam, gibt’s schließlich bald auch nicht mehr. Michel ruht nicht eher, bis er die junge Frau wiederfindet, die er drei Jahre zuvor hat singen hören: ein Liebeslied, das durch ihr geöffnetes Fenster zu ihm drang. Doch womöglich ist auch die Geliebte ein Wunschbild aus einer Traumvergangenheit, ein Phantom. Ob der Schuss, der sich im Liebes-(duett)streit der beiden löst, sie traf, wissen wir auch nicht recht.



Überhaupt ist die Stadt, in der Bohuslav Martinus «Juliette» spielt, ziemlich seltsam: Da wird der Fremde mir nichts, dir nichts zum Bürgermeister erhoben, nur weil sein Erinnerungsvermögen weiter als zehn Minuten zurück reicht – im Gegensatz zu allen anderen, die von der totalen Gedächtnislosigkeit befallen sind. Kein Wunder, dass dort ein Verkäufer mit Erinnerungen handeln kann, dass ein Zentralbüro existiert, in dem Träume zu kaufen, zu mieten sind (für Bettler nur dienstags geöffnet).

Ausstatter Christian Schmidt lässt eine Lok durch die Bibliothek tuckern, die er im Wechsel mit der Fassade des Hauses rotieren lässt, in dem Juliette zu wohnen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2015
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Heinz W. Koch

Weitere Beiträge
Zur Kenntlichkeit entstellt

Mit «Ich komme, grünende Brüder» ist es nichts. Kein Mädchen, das sich in einen Lorbeerbaum verwandelt. Daphne, schuldig am Tod ­ihres Jugendgespielen Leukippos, bekommt Handschellen angelegt. «Abführen!»: So hätte der Befehl an den Uniformierten am Ende lauten können. Leer die Szene. Die Musik allein spricht das Schlusswort. Sie flutet den Raum. In das...

Das Leid mit dem Lied

Das Lied leidet. Das ist nicht schlimm. Oder jedenfalls schadet es ihm nichts. Von Anbeginn war das Lied ein Zufluchtsort fürs Leid. Schlimm ist, dass sich kaum noch jemand fürs Lied interessiert. Vielleicht, weil sich kaum noch jemand fürs Leid interessiert. Nur, warum sind dann gefühlte 99 Prozent der sogenannten Pop-Musik gesungene, oft liedhafte Musik, warum...

Zerschossene Träume

Serge Dorny lehnt sich zurück und weist in die Ferne. In seinem gläsernen Büro hoch über Lyon räsoniert der Opernintendant über Interaktionen mit den Stadtteiltheatern oder dezentrale Kultur- und Bildungsprojekte, welche die drittgrößte französische Stadt und ihre sozialen Problemviertel so bitter nötig haben. «Für mich sind kulturelle Aktivitäten in diesen...