Der enthüllende Blick
Als die dreizehnjährige Ballettschülerin Edith Aptowitzer am 14. März 1938 zum Unterricht in die Staatsoper will, tritt ihr ein Pförtner in den Weg. «Juden kommen hier nicht rein», erklärt er. Die heute 83-Jährige schildert den Vorfall mit stockender Stimme bei der Pressekonferenz zur Ausstellung der Wiener Staatsoper «70 Jahre danach – Täter, Opfer, Zuschauer». Am 12.
März 1938 waren die Hitler-Truppen in Österreich einmarschiert und hatten in der Folge eine geradezu delirische Volksraserei ausgelöst, die der nach Wien vertriebene ehemalige Generalintendant der Deutschen Oper Berlin Carl Ebert in einem Brief so beschrieb: «Als wir mit Caspar Neher die Oper verlassen, schlägt uns wilder Jubel entgegen: Schreiende, singende Menschen, sie strecken einander die Hände ins Gesicht mit dem gebrüllten Gruß, der sie zu berauschen scheint, stehen auf den Trittbrettern sinnlos rasender Autos, schwingen Papierfähnchen mit dem brutalen kabbalistischen Zeichen – wo kommen so plötzlich diese Tausenden von Fähnchen her?» Später freilich wollte keiner so ein Hakenkreuzfähnchen geschwungen haben, ja überhaupt dabei gewesen sein.
Unter den damals Vertriebenen, Zwangspensionierten und Verfolgten ...
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Zu den stärksten Operneindrücken meiner Schulzeit gehört die legendäre Münchner «Traviata» von 1965, in der an der Seite von Fritz Wunderlich und Hermann Prey eine junge Kanadierin griechischer Herkunft ihren Einstand gab, die in Deutschland bis dahin noch niemand kannte: Teresa Stratas. Sie war das Traumbild einer Kameliendame, ganz femme fragile, tief...
Längst nicht alle Quereinsteiger bringen der Oper die erhoffte Blutzufuhr. Von Philipp Stölzl ist sie indes mehr und mehr zu erwarten. Seine dritte Inszenierung – nach dem Meininger «Freischütz» und dem arg frühzeitigen Salzburger «Benvenuto Cellini» – nährt die Neugier aufs Kommende. Bildertheater – einstweilen sein Markenzeichen – ist auch dieser Gounod’sche...
Das Werk steht unangetastet vor uns. Doch die Umstände haben sich radikal verändert, damit die Bedingungen der Rezeption. Denn wohl niemand wird ernstlich bezweifeln, dass der Hauch des Exotischen, wie er noch 1929 vom Land des Lächelns ausging, inzwischen einer fast pragmatischen Sichtweise gewichen ist: China, das ist nicht mehr länger Chiffre für das Andere...