Schöner leben

Er regt an. Er regt auf. Ein Verführer. Ein Zauberer. Machtmensch, Geschäftsmann und bajuwarisch polternder Feingeist, der das wahre Leben in der Kunst suchte. In seiner Kunst. Schöpfer eines Riesenwerks, das weder avantgardistisch noch reaktionär ist. Klang gewordenes Ausweich­quartier in dunkler Zeit. Ein subtiler, schillernder, melancholischer Kosmos. Überlegungen zum 150. Geburtstag von RICHARD STRAUSS

Opernwelt - Logo

Wer die Schönheit lobt, macht sich verdächtig. Gilt bestenfalls als naiv. Unkritisch und verantwortungslos, denkfaul, bequem und opportunistisch: eine Liste von Eigenschaften, mühelos zu verlängern und besonders leicht zu belegen am Beispiel des ästhetizistischen Egomanen Richard Strauss’,  der selbst die Kumpanei mit Diktatoren nicht scheute, wenn sie dem eigenen Erfolg nutzte.



Strauss’ persönliches Verhalten entsprach dabei nur mehr einer Tendenz, für die seine Musik schon vor 1933 stand: Dekoration für eine Gesellschaft zu sein, deren Herrschende um Recht und Gesetz wenig Aufhebens machten. Dass die Mörder Karl Liebknechts unbehelligt im «Rosenkavalier» sitzen konnten, geriet bereits 1919 zur bitteren Pointe eines Gedichts von Walter Hasenclever. Nicht dass Strauss die Begleitmusik zur Konterrevolution geliefert oder auch nur im Sinn gehabt hätte. Der Vorwurf, mit dem Glanz vergangener Zeiten die Missstände der Gegenwart übertönen zu wollen und somit den Stützen der Gesellschaft ein angenehmes akustisches Ambiente zu geben – er zielte, von der Fülle des Wohllauts ausgehend, auf einen Komponisten, der sich bloß angemaßt habe, einer Avantgarde anzugehören, letztlich jedoch stets ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Juni 2014
Rubrik: Essay, Seite 48
von Michael Heinemann

Weitere Beiträge
Familienzoff bei Schickis

Auch dieses Stück ist ein Fall für die ewig offene Frage: Wie es wohl sein kann, dass von einer einst so erfolgreichen Oper bald keiner mehr Notiz nahm? Von 1690 bis 1693 amtierte Johann Georg Conradi als Direktor des Hamburger Theaters am Gänsemarkt. Der Import von Lullys Werken ist ihm zu verdanken. Und auch ein Hit aus eigener Feder: «Die schöne und getreue...

«Modern sein, ohne ein Moderner zu sein»

Unter den großen Komponisten des 20. Jahrhunderts ist Richard Strauss der Umstrittenste, zumindest – seit Adornos brillanter Attacke in seinem Essay aus dem Jahre 1964 – in Deutschland. Von den Neuerscheinungen im Jubiläumsjahr ragen neben dem «Richard Strauss Handbuch», das Walter Werbeck im Metzler-Verlag ediert hat (siehe Seite 29), drei Titel heraus: eine...

Apropos... Mal was Heiteres!

Herr Gerhaher, von Ihrem Debüt als Don Giovanni war nicht unbedingt zu erwarten, dass Sie die Rolle als Erotik-Protz, als aggressiven Verführer anlegen. Sondern?

Ich kann Ihnen ehrlich sagen: Ich hatte sechs Wochen vor der Premiere nicht die geringste Ahnung! Was ich hatte, waren Komplexe. Es ist doch ganz klar, dass man sich für den Don Giovanni vom Typus her eher...