Rituale im Zerrspiegel

Amsterdam | Wagner: Parsifal

Wer den aus Indien stammenden, in London arbeitenden und weltweit gut gebuchten Künstler Anish Kapoor für ein Bühnenbild engagiert, weiß ziemlich genau, was er bekommt: eine zwischen Stofflichkeit und Immateriellem, Architektur und Symbol changierende, mit hübschen Op-Art Effekten spielende Raumskulptur. In Pierre Audis Amsterdamer «Parsifal» – eine Koproduktion zwischen der Nederlandse Opera und dem Holland Festival – sieht man im ersten Aufzug eine blutrote Felslandschaft, vor der einige Stühle und (teilweise kaputte) Holzkreuze herumliegen.

Die Gralszeremonie findet auf der Rückseite dieses unwirtlichen Ortes statt, die Ritter stehen auf einem Holzgerüst, ganz oben thront Amfortas mit klaffender Wunde. Er hält sich ein Leinentuch vor den Körper, das sich bald rot einfärbt und den gebannt darauf schauenden Männern Energie spendet – ein archaisches, pseudo-christliches Ritual. Der zweite Aufzug führt in die Klingsor-Welt, zu sehr bunten Blumenmädchen (Kostüme Christof Hetzer). Nun hängt ein riesiger Zerrspiegel in der Bühnenmitte und zeigt die jeweils vorbeilaufenden Protagonisten, mal auf dem Kopf stehend, mal in Einzelteile zerlegt. Nett anzusehen ist das, aber auch recht ...

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Opernwelt August 2012
Rubrik: Panorama, Seite 37
von Jörn Florian Fuchs

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