Opernwelt September/Oktober 2007
Editorial
Festspiele I
Angst- und Wunschtraumzauber
Wenn die Spatzen nicht lügen, die von den Dächern des Festspielhauses pfeifen, wird in Bayreuth derzeit bis 2013 geplant. Das ist das Jahr von Wagners zweihundertstem Geburtstag. Und da wäre fraglos ein neuer «Ring» fällig. In der Regie von Katharina Wagner? Selten wurde eine Bayreuth-Premiere so hysterisch erwartet und so erregt diskutiert wie die neuen «Meistersinger». Die Urenkelin stellt eingefahrene Regeln in Frage und hält dem enormen Druck, der auf ihr lastete, stand. Die Aufführung kalauert und motzt, aber sie hat auch eigene, eigensinnige und sogar große Momente. Nur bräuchte sie einen stärkeren Dirigenten. Mit Berichten aus Bayreuth beginnt der erste Festspielteil dieses Heftes. Außerdem zum Thema Wagner: Knappertsbuschs letzter «Parsifal» auf CD, zweierlei Initiativen für den Nachwuchs und die neuesten Bücher in der Kritik.
Die Nachtseiten der Oper
Im postmodernen Denken glimmt die Fackel der Vernunft nur noch auf Sparflamme. Die dunklen, destruktiven Züge der menschlichen Existenz scheinen uns näher als Glaube, Liebe, Hoffnung. Das Krisenbewusstsein der Gegenwart steht nun auch in Salzburg auf der Tagesordnung – programmatisch festgezurrt vom neuen Intendanten Jürgen Flimm. Unter anderem mit Haydns selten gespielter Zauberoper «Armida», Tschaikowskys abgründigem Gesellschaftspanorama «Eugen Onegin» und Webers unheimlichem «Freischütz». Um die Binsenweisheit, dass zwischen theoretischer Erkenntnis und musikalisch-szenischer Praxis oft ein tiefer Graben klafft, kam man freilich auch auf dem Parcours zwischen Felsenreitschule und Großem Festspielhaus nicht herum. Mehr zum Ertrag der ersten drei Salzburger Opernpremieren auf den folgenden Seiten.
Der Mann vom Meer
Diese Landschaft hatte Benjamin Britten und Peter Pears schon lange fasziniert. 1967 wurde der Traum von einem Konzertsaal in der alten Mälzerei von Snape wahr. Inzwischen veranstaltet das Aldeburgh Festival dort während des ganzen Jahres Konzerte, Opernaufführungen, Workshops und Meisterklassen. Die Idee eines musikalischen Campus ist in greifbare Nähe gerückt. Eine Reportage aus Suffolk eröffnet unsere englische Festspiel-Trias. Zweite Station: Glyndebourne, die feinste Picknick-Adresse der Insel, setzte in diesem Sommer auf eine szenische Version von Bachs «Matthäus-Passion» und den dort seit den Anfängen gern gezeigten «Macbeth». Irgendwie eine Kopie von Glyndebourne und doch ganz anders: das Opernfestival auf der Terrasse eines elisabethanischen Landhauses in Garsington. Mehr darüber auf den folgenden Seiten.
Wer das Groteske sät, wird die Farce ernten
Glyndebourne kann auch nicht erklären, was Bachs «Matthäus-Passion» auf der Bühne zu suchen hat, und präsentiert Verdis «Macbeth» als blutigen Cartoon-Strip
Hier bin ich reich, hier darf ich's sein
Wie eine hochmögende Gesellschaft bei Sturmböen auf einer Privatterrasse Rossini, Mozart und Strauss goutiert: Stephan Mösch über das Opernfestival in Garsington
Blick ins Innere
Markenzeichen der Bregenzer Festspiele ist die gigantische Seebühne. In diesem Jahr hat Johannes Leiacker ein Big-Brother-Auge darauf gebaut: «Tosca» im Polizeistaat, aber auch als Reise ins Innere. Im Festspielhaus inszeniert Yoshi Oida Brittens «Tod in Venedig» in unspektakulär strengen Bildern. Schwetzingen eröffnet den Mannheimer Mozartsommer – mit einer musikalisch grandiosen Aufführung von «Lucio Silla» unter Adam Fischer. In Budapest stemmte der künftige Chef der Ungarischen Staatsoper jüngst «Rheingold» und «Walküre» – und gibt Auskunft über seine Pläne. Die Verbindung mit einem bestimmten Komponisten pflegt nicht nur Bayreuth: In Erl betreibt Gustav Kuhn im zehnten Jahr seinen Wagner-Zirkus, während man in Pesaro wieder die Rossini-Fahne schwenkt. Dazu mehr auf den folgenden Seiten.
Erls König
Wie Gustav Kuhn zehn Jahre Tiroler Festspiele feiert
Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück
In seinem 28. Jahr sucht das Rossini-Festival in Pesaro nach Wegen in die Zukunft
Zwischen Travestie und Ernst
Musikalisch großartig, szenisch gescheitert: Uwe Schweikert über «Lucio Silla» im Rahmen des Mannheimer Mozartsommers
Konkurrenz für Wien?
Mit zwei glänzend dirigierten «Ring»-Abenden in Budapest hat Adam Fischer die Hoffnung auf einen Aufschwung der Ungarischen Staatsoper beflügelt. Wie der neue Chef des Hauses den Anschluss an Europa schaffen will
Interview
«Man muss sein Publikum genau kennen»
Hat Amerika Vorbehalte gegen modernes Musiktheater aus Europa? Und wie sieht es umgekehrt aus? Plácido Domingo über sein Selbstverständnis als Opernmanager, sein ästhetisches Credo als Künstler und sein Leben zwischen vielen Welten.
Magazin
Das unmögliche Traumpaar
Die Plattenbranche hielt sie fein auseinander: Vor 30 Jahren starb Maria Callas, vor 25 Jahren Mario del Monaco
«Mit dem Studium der Noten ist es nicht getan»
Jesús López-Cobos, Generalmusikdirektor des Teatro Real Madrid, über seine Berliner Lehrjahre, den Dirigenten-Guru Hans Swarowsky und den Jugendwahn in der Klassikszene
Feldmarschallin und Großherzogin
Zum Tod der französischen Primadonna Régine Crespin
Magnet für Trouvaillen
In Freiberg beweist man mit Charpentiers «Médée» Ausgrabungsglück – und das in Serie
Rotkäppchen, Aschenputtel und de erste Liebe
Früh übt sich... – Opern für Kinder und Jugendliche in München
Surreale Reise
Soeren Voima schickt «Don Quijote» auf die leer geräumte Bühne des Weimarer Nationaltheaters
Ein stetiges Hineinwachsen
Menschliches Maß: Franz Grundheber zum 70. Geburtstag
Bühne, Film, Funk, Fernsehen
Im deutschsprachigen Raum war sie während der sechziger und siebziger Jahre ein Star: zum 80. Geburtstag der Sopranistin Melitta Muszely
Wenn Blut zu Blüten wird
Eine Bildungsreise für Operntouristen: Das Zürcher Kammerorchester zeigt «Meisterwerke der Weltkultur» und holt die Kunqu-Oper in die Schweiz
Lärmende Metamorphosen
Mills’ «The Love of the Nightingale» in Brisbane
Der braune Klang
Selbst der Kammertorn war völkisch geregelt: neue Forschungen zum Musiktheater der NS-Zeit
Service
Schlaglicht
La Malibran rediviva?
Konzept und Image sind klug aufeinander abgestimmt: Für ihre CD-Hommage an Maria Malibran ist Cecilia Bartoli mit Haut und Haaren in die Rolle der legendären Belcanto-Heroine geschlüpft. Botschaft der perfekt gestylten Fotos: Bartoli ist Malibran.
Festspiele II
Verrückte Geschichten
Bad Wildbad,
Rossini: La scala di seta,
Rossini: La gazzetta,
Balducci: Boabdil – König von Granada
Mit dem Genius Loci auf Du
Stralsund/Schwerin
Offenbach: Hoffmanns Erzählungen,
Verdi: Der Troubadour
Mit dem Genius Loci auf Du
Stralsund/Schwerin,
Offenbach: Hoffmanns Erzählungen,
Verdi: Der Troubadour
Belcanto in der Reithalle
Halfing/Gut Immling,
Verdi: Un ballo in maschera,
Rossini: Il barbiere di Siviglia
Isouards «Aschenputtel» in Bad Aibling
Bad Aibling