Opernwelt Jahrbuch 2018
Opernhaus des Jahres
Im Höhenflug
Eine kluge Stückauswahl, inspirierende, aufregende Regiearbeiten, profilierte Dirigenten und wunderbare Sängerdarsteller: An der Oper Frankfurt stimmt die künstlerische Chemie
«Jede Vorstellung ist wichtig»
Kaum ein Abend an der Oper Frankfurt ohne ihn: Für Intendant Bernd Loebe steht und fällt der Rang (s)eines Hauses mit dem Niveau im Repertoirealltag
Sänger des Jahres
Nussknacker
Gibt es derzeit einen präziseren Sängerdarsteller als ihn? Sein Beckmesser in den Bayreuther «Meistersingern»: eine bezwingende Mischung aus realer Tragik und surrealer Komik. Sein Šiškov im Frankfurter «Totenhaus»: eine bestürzende Balance zwischen introvertierter Seelenschau und natürlicher Expressivität. Johannes Martin Kränzle setzt Maßstäbe – als Teamplayer
Aufführung des Jahres
Heiterkeit aus Notwehr
So beklemmend komisch wie in Barrie Koskys Bayreuther Inszenierung waren «Die Meistersinger von Nürnberg» noch nie zu sehen. Textdeutung, Wagner-Biografik, Rezeptionsgeschichte und Ideologiekritik sind brillant verblendet. Und vor allem mit jüdischem Humor gewürzt
Uraufführung des Jahres
Rätselhaft klar
So klingen die Ambivalenzen heller Mondnächte: Überlegungen zu «Lunea», Heinz Holligers komponierter Hommage an den Sprachkünstler Nikolaus Lenau
Vorliebe für Außenseiter
«L’Invisible», ein Triptychon nach Maurice Maeterlinck, ist seine neunte Oper. Jahrzehnte hat Aribert Reimann den Stoff mit sich herumgetragen. Wie immer, wenn er für das Musiktheater schrieb. Porträt eines Einzelgängers
Das Verschüttete aufspüren
Mit «Erdbeben. Träume» hat Toshio Hosokawa ein magisches Bühnenwerk geschrieben – auf ein Libretto von Marcel Beyer, frei nach Kleist
Der Horror nebenan
Zur Sprachmacht und Bildwucht der Vorlagen halten Händl Klaus und Arnulf Herrmann Distanz: Ihr Musiktheater «Der Mieter» ist weder Literatur- noch Filmoper, sondern bedrückender Echoraum innerer Obsessionen
Wiederentdeckung des Jahres
Maßlos aus Prinzip
Zurück ins verlorene Paradies, mit allen Mitteln: Erich Wolfgang Korngolds Mysterienspiel «Das Wunder der Heliane» und die Dramaturgie des Eros
Abgehoben
Spätromantischer Futurist, theosophischer Apokalyptiker, Avantgardist wider Willen, Schönheitspriester, paranoider Provokateur – der dänische Komponist Rued Langgaard, Schöpfer der Oper «Antikrist», trug zahllose Zeichen eines Universalgenies
Regisseur des Jahres
Weltverbesserer
Über die Inszenierungen von Peter Konwitschny ist spätestens seit seinem Hamburger Klassenzimmer-«Lohengrin» von 1998 viel geschrieben und noch mehr diskutiert worden. Wie entstehen seine Arbeiten konkret? Konwitschnys langjährige Dramaturgin beschreibt Antriebe, Reibungen und Spielregeln einer ästhetisch-politischen Wahrheitssuche
Sprechen und Singen
Wie ein glatter goldner Ring
Im deutschen Singspiel und in der französischen opéra-comique setzt das gesprochene Wort die Musik in Gang – Anmerkungen zur Ästhetik und Problematik der Dialogoper
Klingende Rede, beredter Klang
Schauspiel ohne Musik? Gibt es erst seit etwa 100 Jahren. Und doch: Bis heute ist die aus dem antiken Drama überlieferte Symbiose von Sprechen und Singen ein produktiver Stachel im europäischen Theater geblieben
Christa Ludwig
Sehnsucht nach Stille
Ihre eigenen Aufnahmen hört sie sich nicht mehr an. Überhaupt ist die Musik für sie ein abgeschlossenes Kapitel. Im März feierte Christa Ludwig ihren 90. Geburtstag. Ein Gespräch über Anfänge und Abschiede, die Mutterschule und unglückliche Ehemänner, fordernde Dirigenten und gefährliche Ausflüge sowie die Moderne von der Kochplatte
Musikermedizin
Den Normalfall gibt es nicht
Musikermedizin ist ein interdisziplinär angelegtes Fach, das Sängern und Instrumentalisten weiterhelfen kann, die über berufsbedingte Störungen klagen. Erfahrungen aus der Praxis
Abendstern, durchleuchtet
Was geschieht eigentlich organisch, wenn der Mensch singt? Wie sollten Kehlkopfmuskeln, Zunge, Lippen, Lunge, Zwerchfell zusammenspielen, damit die Stimme nicht überlastet wird? Einblicke in den aktuellen Stand der Forschung
Volles Rohr ins Ohr
Der Graben als Gefahrenzone: Unter langjährig beschäftigten Orchestermitgliedern sind Hörschäden weit verbreitet. Nicht selten liegt die Schallbelastung deutlich über den zulässigen Werten. Ein Gespräch mit zwei Experten des Musikeralltags
Hanna Schwarz
Glückskind free
Eigentlich wollte sie Ärztin werden. Dann sah Hanna Schwarz 1965 in Salzburg die «Elektra» unter Herbert von Karajan, mit Astrid Varnay und Martha Mödl – und hatte fortan nur noch eins im Sinn: Singen! Eine Begegnung der besonders schönen Art
Essay 1918 | 2018
Ganz schön ratlos
Das Jahr 1918 gilt als Zeitenwende: Umbruch aller Werte, Aufbruch im Theater. Was ist von der ästhetischen Schubkraft des damaligen Krisenbewusstseins geblieben? Lassen sich, zumal für die Oper, produktive Linien bis in unsere verunsicherte Gegenwart ziehen? Eine Skizze mit persönlichen Obertönen
Bilanz
Pontifex maximus
Ins Gehege der Vorklassik hat sich der «Dirigent des Jahres» nie einsperren lassen: Schon früh entdeckte John Eliot Gardiner auch Gluck, Mozart, Rossini, Berlioz. Dennoch bleibt Monteverdi für ihn das Maß aller Dinge
Durchgestartet
Eigentlich ist Anna El-Khashem, die «Nachwuchskünstlerin des Jahres», gerade erst richtig in München angekommen. Doch schon jetzt steht die 22-Jährige aus dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper regelmäßig auf der großen Bühne
Ölkrise
Wenn Malerfürsten zu Bühnenbildnern werden, bleibt das Gesamtkunstwerk oft auf der Strecke. Aktuelles Beispiel: die Münchner «Parsifal»-Kulissen von Georg Baselitz. Beobachtungen zu einer problematischen Praxis