Zwei Schwestern
«Lulu» ausstaffiert oder amputiert? In der komplettierten, der Dreiakt-Version – oder als Fragment? Wollte Alban Berg diese Oper womöglich nicht vollenden? Hatte er etwa eingesehen, dass schon Wedekinds Doppeltragödie nach Doktor Schöns Tod problematisch war? Im Jahr 1962, als die nun auf DVD vorliegende legendäre Produktion unter Karl Böhm anlässlich der Wiener Festwochen im Theater an der Wien herauskam, stellten sich diese Fragen nicht – Friedrich Cerhas dreiaktige Version wurde erst 1977 fertig.
Damals ging es vielmehr darum, Vorurteile zu entkräften und klarzustellen, dass es sich bei Bergs dodekaphonischer Partitur nicht um verhirnte Zahlenspielerei handelt, sondern um die hochtheatralische Vertonung gesellschaftlicher Neurosen. Insofern hatte die Aufführung Signalwirkung – bescheinigte sie doch dem Werk, das damals durchaus noch als exzentrisch galt, die Repertoiretauglichkeit. Karl Böhm betont bei aller Akribie im Detail die spätromantischen Wurzeln der Musik, rückt Berg in die Nähe Mahlers. Das Klangbild ist luzide, die Musik dennoch mit Leidenschaft interpretiert, und wer «Lulu» schon immer für eine melosträchtige Oper hielt, wird in seiner Meinung bestätigt.
Da Böhm ...
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Opernwelt September/Oktober 2013
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 45
von Gerhard Persché
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