Zeitlos aktuell
Von den drei überlieferten Opern Claudio Monteverdis hatte «Il ritorno d’Ulisse in patria» die geringste Breitenwirkung. Homers Dramenstoff um die späte Heimkehr des Odysseus in sein Königreich Ithaka, wo nur noch die treue Gattin Penelope und der Sohn Telemach an seine Wiederkunft glauben, ist bis heute aktuell. Man denke etwa an die Soldaten, die zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus russischer Kriegsgefangenschaft in eine fremd gewordene Heimat zurückkehrten.
Wenn Penelope ihren bewegenden Klagegesang «Di misera Regina» zu Beginn des ersten Akts anstimmt, drängt sich die Erinnerung an jene Frauen auf, die verzweifelt auf ihre Männer warteten. Auch 375 Jahre nach seiner Uraufführung klingt in Monteverdis Meisterwerk die bittere Realität einer friedlosen Welt an – trotz des glücklichen Ausgangs.
Martin Pearlman, Gründer und musikalischer Leiter des Ensembles Boston Baroque, hat auf Basis des überlieferten Notenmaterials eine eigene Fassung erstellt. Deren markanteste Merkmale: die Stringenz des Handlungsbogens und eine äußerst farbige Instrumentierung. Die Mitwirkenden konnten sich im April 2014 bei zwei halbszenischen Aufführungen in Boston auf diesen Mitschnitt ...
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Opernwelt August 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Detmar Huchting
Schon die Hochzeitsfeierlichkeiten im ersten Akt des «Guillaume Tell», Rossinis Grand Opéra über Fremdherrschaft, Widerstand und widerwilliges Heldentum, sind durchsetzt von düsteren Vorahnungen. Jeder hat so seine Sorgen, politisch wie privat: Tell selbst, der alte Melcthal und sein Sohn Arnold, sie alle stecken in einem Dilemma, und das findet musikalisch...
Mehrere politische wie gesellschaftliche Revolutionen hat «Le nozze di Figaro» in ihrer knapp 230-jährigen Geschichte schon erlebt, wie Francis Hüsers, der Johannes Eraths Inszenierung als Dramaturg betreut, im Programmheft mit Recht hervorhebt. Die Adelskritik weist in Richtung französische Revolution, während die offene Thematisierung von nichtehelichen...
Gespenstisch ist das. Weniger der Holländer selbst – eher, was sich in Balázs Kovaliks vieldeutig ironischer Inszenierung von Wagners Oper im Budapester Palast der Künste in den Chorszenen tut. In Reih und Glied, im Gleichschritt marsch, die Augen rechts, manche Gesten sind so hohl, dass ganze Völker darin Platz haben. Wimpel werden geschwungen, Nationalflaggen...