Wille zur Macht
Der Prolog fehlt. Keine Debatte darüber, wer die einflussreichste allegorische Figur auf der Bühne ist. Fortuna, die Schicksalsgöttin, und Virtù, Vertreterin von Tugend und Tapferkeit, sind erst gar nicht angereist. Nur Amor ist erschienen, um den Menschen stupende erotische Energien einzuflößen. Allein, das Singen hat auch der Liebesgott anscheinend verlernt.
Stumm wie ein Fisch (aber ebenso geschmeidig) schlängelt sich die Tänzerin Diane Gemsch in schwarz-ledernem Ganzkörperanzug und furchterregender Dämonenmaske (Kostüme: Žana Bošnjak) durch das trockengelegte, weißgekachelte, mit Asche belegte Schwimmbecken des Bühnenbildners Wolfgang Menardi, reibt sich mal an Poppea, der Mätresse des Kaisers, mal an diesem selbst. Wirft ihren durchtrainierten Körper zwischen sie, rollt herum, touchiert mit unterschiedlicher Intensität verschiedene Gliedmaßen, wird handgreiflich, gleitet, wie von Furien getrieben, weiter.
«L’incoronazione di Poppea» heißt die Oper, die im Theater St. Gallen, gegeben wird. Aber es ist ein völlig anderes Stück als das 1643 aus der Taufe gehobene, uns bekannte von Claudio Monteverdi. Es eine Bearbeitung zu nennen, griffe entschieden zu kurz; zu einschneidend ...
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Opernwelt August 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Jürgen Otten
JUBILARE
Gabriella Tucci studierte an der Accademia di Santa Cecilia bei Leonardo Filoni. Ihr Debüt gab die Sopranistin 1951 in Spoleto als Leonora in Verdis «La forza del destino» an der Seite Beniamino Giglis, zwei Jahre später sang sie in der legendären Aufführung von Cherubinis «Medea» mit Maria Callas in Florenz die Partie der Glauce – ein Meilenstein ihrer...
Countertenöre scheinen die Welt der Barockoper heute so zu beherrschen, wie es früher die Kastraten taten, als deren moderne Wiedergänger die falsettierenden Sänger heute oft verstanden werden. «Historisch informiert», wie eine häufig gebrauchte Zauberformel der Aufführungspraxis lautet, ist diese Besetzungsoption freilich nicht. Würde man sich anhand der Quellen...
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