Wiener Melange
Natürlich kennen sie das Stück, beide. Wer ernsthaft Theater macht oder Oper, hat seinen «Faust» drauf. Und gewiss können sowohl Lotte de Beer als auch Stefan Herheim noch im Traum jene Passage aus dem ersten Akt zitieren, in der die Titelfigur, nächtlich sinnend, der Welten Lauf zu erklären sucht und schließlich jene Eingebung hat, die seither geflügeltes Wort ist: «Was du ererbt von deinen Vätern hast /, Erwirb es, um es zu besitzen. / Was man nicht nützt, ist eine schwere Last, / Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.
»
Die Metapher mit den «Vätern« kann man fast wörtlich verstehen: Robert Meyer führte die Volksoper 14 Jahre lang, Roland Geyer stand sogar 16 Jahre an der Spitze des Theaters an der Wien – de Beer und Herheim treten in Fußstapfen, deren Abdruck in der österreichischen Kapitale weithin sichtbar ist. Und beide haben erstmals in ihrer Regiekarriere ein solches Amt inne. Die Häuser haben ihre ureigene Geschichte, ihr ureigenes Profil. Und sie sind Teil einer Theaterlandschaft, die, zumindest für Außenstehende, nicht eben leicht zu dechiffrieren ist. Oper in Wien, das ist eben doch etwas anderes als Oper in Stuttgart, Köln oder Zürich. Oper in Wien ist ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Karl Harb und Jürgen Otten
Für gewöhnlich sitzt man im Theater auf seinem Platz und harrt der Dinge, die da kommen. Flanieren geht nur in der Pause. Dass es in Susanne Kennedys Version von Philip Glass’ Oper «Einstein on the Beach» am Theater Basel anders sein wird, erfährt man schon beim Einführungsvortrag: «Das ist ein Abend, den man sich selbst baut», heißt es da. Ein Fall von immersivem...
Huldigungswerke sind eine ambivalente Angelegenheit. Im Lobpreis auf den hochmögenden Herrscher – denn darin allein besteht ihr Zweck – verbirgt sich immer auch eine dem Schöpfer abgezwungene Unterwerfungsgeste. Wohl kaum ein Dichter, kaum ein Compositeur, der seinem Fürsten aus freien Stücken und mit unverstellter Begeisterung einen Lorbeer aus Versen und Tönen...
Vor fünf Jahren eröffnete im Pariser Vorort Boulogne-Billancourt auf der Ile de Seguin der gigantische Musik- und Theaterkomplex «La Seine Musicale». Philippe Jaroussky mit seiner Académie Musicale und die Originalklang-Dirigentin Laurence Equilbey mit ihren Ensembles, dem Chor accentus und dem Insula orchestra, haben sich dort eingenistet. Das Programm bildet...