Weit gespannt
So etwas habe er in 40 Jahren nicht gehört, sagt ein pensionierter Intendant nach dem Liederabend. Das Publikum scheint ähnlich zu denken und springt nach dem letzten Stück sofort von den Sitzen. Strahlende Gesichter überall. Wie beglückt schreiten die Menschen hinaus in den taghellen Frühsommerabend, stehen, schwatzen und schwärmen noch lange im Hof der Hakonshalle von Bergen. Die Sängerin, die das auslöst, heißt Lise Davidsen, dürfte Ende zwanzig sein und stammt aus Norwegen. Unbekannt ist sie längst nicht mehr.
Spätestens seit sie im letzten Jahr sowohl den Operalia Wettbewerb in Madrid als auch die Queen Sonja Competition in Oslo gewann, weiß die Musikwelt, dass hier eine wahrhaft ungewöhnliche Stimme heranreift. Ausgebildet bei Susanna Eken in Kopenhagen, war sie unter anderem im Frankfurter «Ring» zu hören (als Freia und Dritte Norn, die sie auch im Juli dort wieder singt), im September folgt Webers Agathe im Zürich, 2017 dann die Ariadne von Strauss in Glyndebourne. Alles kluge Entscheidungen. Möge das so bleiben und das dramatische Fach auch in Zeiten enormen Karrieredrucks lange ausgespart bleiben.
Denn, daran besteht kein Zweifel, Lise Davidsen ist eine genuin dramatische ...
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Opernwelt Juli 2016
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Stephan Mösch
Kunst braucht Mut zum Risiko. Besonders zeitgenössische, das gilt auch im Musiktheater. Die Australische Nationaloper geht Wagnissen allerdings lieber aus dem Weg. Deshalb müssen die wenigen übrigen Ensembles in die Bresche springen – jüngst kam die State Opera of South Australia in Adelaide diesem Auftrag mit der Uraufführung von George Palmers «Cloudstreet»...
Als der neue Intendant Ingo Metzmacher in Hannover sein Programm für die Kunstfestspiele Herrenhausen präsentierte, war mancher verblüfft, dass die ersten Höhepunkte rein gar nichts mit dem wundervollen Barock(garten)-Ambiente zu tun hatten. Der gebürtige Hannoveraner wollte die Kunstfestspiele, mit denen zu viele Einheimische gefremdelt hatten, neu positionieren....
Von zart verstäubter Angst erfüllt wirken die ersten sechs der in diesem Recital versammelten Lieder. Angst vor dem Älterwerden, dem Unausweichlichen, Unwiederholbaren. Benjamin Britten schrieb diese «Songs from the Chinese» im Herbst 1957 (ein Jahr nach seinem Essay über musikalische Chinoiserien im Ballett «The Prince of Pagodas») für den Lebenspartner Peter...