Was taugt ein Leben ohne Illusionen?
Das Interesse an Barockmusik ist in den letzten 25 Jahren enorm gestiegen», sagt Christophe Rousset in der Brasserie Excelsior und fährt mit einem Hauch Bitterkeit in der Stimme fort: «Aber die französische hat’s immer noch schwer. Das Rameau-Jahr zum Beispiel hat praktisch keine Spuren hinterlassen. ‹Platée› gibt es ja immer mal, doch das war auch schon vorher so. Der Rest gilt nach wie vor als zu intellektuell. Und Lully will auch kaum einer hören. Vor allem im Ausland.
» Zu spröde oft die deklamierenden récits, zu fremd die Huldigung an den Regenten im Prolog, zu ungewohnt die Unterbrechungen durch entrées und divertissements, die Eingriffe von Magiern und Göttern. Mit der auf die Spitze getriebenen Repräsentationskultur des Sonnenkönigs haben sogar Spezialisten Probleme; René Jacobs etwa gibt in Interviews offen zu, dass er mit der französischen «Staatskunst» wenig anfangen kann.
In Nancy aber ist nichts zu spüren von diesen Sperren. Hitze flirrt über dem Pflaster der Place Stanislas, vor blauem Sommerabendhimmel gleißen die klassizistischen Palais, die der polnische König zu Ehren Ludwig XV. bauen ließ. Drinnen, in der Opéra national de Lorraine, nehmen die Musiker der Talens ...
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Opernwelt August 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Wiebke Roloff
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Man ist überwältigt. Von der Fülle, von der Akribie, von der Schönheit, von der Fantasie, aber eben auch von der Wandlungsfähigkeit. Das Universum des Bühnenmenschen Jürgen Rose umfasst nicht nur das Bild einer Szene vom ersten Nagel bis zur letzten Dessous-Naht, sondern längst auch die Regie, das Dirigieren von Menschen im Raum, das Erfinden von Konzepten. Es ist...
Es kommt nicht oft vor, dass ein Regisseur in Glyndebourne zwei Produktionen gleichzeitig laufen hat. Noch dazu Opern mit Sprechtexten: Für das Singspielformat hat sich das englische Publikum nie recht erwärmen können, schon gar nicht im Original. Bei der «Entführung aus dem Serail» trauen sich die meisten ja nicht mal, den deutschen Titel zu benutzen – zu riskant,...