Verwelkte Blumen
Es ist angerichtet. Der arielgleiche Sturm hat sich verflüchtigt, das lästig-lärmende Volk ist nach Hause gegangen, der bestirnte Himmel funkelt hell, und aus dem Graben steigt, mild-versonnen, legato e dolcissimo, con espressione, eine dominantisch geformte Kantilene des Solo-Cellos empor, auf deren Flügeln alle Liebenden dieser Welt Platz hätten.
Das ist der Augenblick, in dem die lang anhaltenden Entbehrungen ein Ende haben müssten; es ist jene magische Heureka-Sekunde, in welcher Otello und Desdemona eigentlich nur noch von einem einzigen Wunsch durchflutet sein dürften: O sink hernieder, Nacht der Liebe!
Doch, ach, nichts dergleichen geschieht: Pustekuchen. Wie zwei gealterte Backfische, die sich nach Jahren zufällig wiedersehen, stehen Jonas Kaufmann und Anja Harteros auf der riesigen Bühne der Bayerischen Staatsoper einander gegenüber: sich verlegen um die eigene Achse drehend, ganz und gar unfähig, den anderen zu verschlingen. Nur die zarte Andeutung einer Umarmung will ihnen gelingen, auch der glückseligmachende Kuss («un bacio!») ist wenig mehr als ein verhuscht-profanes Busserl. Leidenschaft sieht anders aus.
Oder sie ist pulverisiert, existiert nur noch in der ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Jürgen Otten
Vor einigen Jahren erwies Joyce DiDonato mit ihrem Album «Stella di Napoli» der Stadt am Vesuv und einigen der dort wirkenden Komponisten des 19. Jahrhunderts ihre Reverenz. Neapel war aber schon im vorangegangenen Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Musikstädte Europas geworden und hatte eine Fülle großer Musiker hervorgebracht. Dem «Napoli galante» ist das...
Fies ist das Urmel geworden. Außerdem pafft es auch noch. Oder ist’s doch dessen missratener Spross mit scharfem Zahngebirge, müden Karl-Dall-Lidern und gefährlich ausschlagendem Rumpf? Dieses Drachengetier befindet sich in guter Gesellschaft angesichts der anderen Zöglinge – dem fast gesichtslos düsteren Hagen oder dem knollennasigen, rothaarigen Sonnyboy...
Nach ihrer 2016 erschienenen CD mit Vokalmusik von Erik Satie und diversen diskografischen Ausflügen als Dirigentin kehrt Barbara Hannigan, wiederum begleitet von Reinbert de Leeuw, zum Liedrepertoire zurück. Zusammengestellt haben die beiden Künstler diesmal ein Programm, das mit Werken von Schönberg, Webern, Berg, Zemlinsky und Alma Mahler ins Wien des Fin de...