Der Tod ist ihr Begleiter
Die Frage mag verwegen sein, vielleicht sogar ein bisschen unverfroren. Aber die Zeit ist danach, sie einmal ganz ohne Zungenschlag zu stellen: Gibt es eine weibliche Sicht auf Verdis Musikdrama «La traviata»? Und ist diese Sicht, so sie existiert, womöglich imstande, eine veränderte Rezeptionshaltung zu implantieren? Die Deutungen von Ellen Lamm in Stockholm und Nicola Raab in Berlin lassen zumindest den Schluss zu, dass an der These etwas dran sein könnte. Denn beide Arbeiten verraten einen wohltuend sensiblen Umgang mit den Leiden der Titelfigur und ihrer Psychologie.
Schon in Lamms Arbeit an der Kungliga Operan Stockholm wird evident, dass ihre Violetta absolut nicht dem Bild der «idealtypischen» Kurtisane entspricht. Ja, sie trägt ein eng anliegendes, silbern glitzerndes Kleid, wenn sie auf der Bildfläche erscheint. Aber sie ist dabei so distanziert, dass sich keiner der Herren an sie herantraut. Noch während der zart musizierten Ouvertüre sehen wir die Unnahbare als von einem Laken bedeckten Leichnam auf einem Tisch liegen, um sich herum die aufsteigenden Reihen eines Hörsaals (Bühne und Kostüme, beides stilvoll, raffiniert: Magdalena Åberg). Auch späterhin wirkt die Violetta ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt Januar 2020
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Jürgen Otten
Menschen in blutgetränkten Shirts liegen reglos auf den Stufen vor dem Haupteingang der Semperoper. Zögerlich bahnen sich die Premierengäste ihren Weg zwischen den Körpern, gehen unter dem Banner «Heute: Weltuntergang» hinein. Das drohende Inferno inszeniert Calixto Bieito in Dresden mit
György Ligetis «Le Grand Macabre». Seine «Anti-Anti-Oper» greift auf...
Orlando revisited
Virgina Woolfs «Orlando»-Roman gehört zu den Schlüsseltexten im geistigen Kosmos der der Komponistin Olga Neuwirth. Ihr gleichnamiges Musiktheater auf den Stoff hat sie im Auftrag der Wiener Staatsoper geschrieben. Dirigent der Uraufführungsproduktion ist Matthias Pintscher (auf dem Foto beim Studium der Partitur)
Zurück in die Zukunft
Jacques...
Chi scherza con Amor, scherza col fuoco: Wer mit der Liebe spielt, spielt mit dem Feuer. So ist, so war es immer. Auch der Titelheld in Giovanni Antonio Borettis «Eliogabalo» weiß um die Tücken dieses (allzu) leichtfertigen Umgangs mit der wichtigsten Nebensache der Welt. Und doch hat ihm der Schöpfer eine Musik in die Kehle gelegt, die vor Vergnügungssucht nur...