Wispern und Schreie
In der Phase ihrer tiefsten Depression wachte Sarah Kane jeden Morgen um 4.48 Uhr in einem Zustand größter Klarheit auf. Vielleicht muss man es sich so vorstellen, dass sie in diesem Moment alle Ängste, jede Verzweiflung, die ganze Zerrissenheit notierte. Ihr letztes Stück heißt «4.48 Psychose»; kaum war es fertig, brachte Kane sich um, Anfang 1999. Eineinhalb Jahre später wurde es uraufgeführt, 2016 zu einer Oper. Die Premiere am Lyric Theatre Hammersmith in London war ein Triumph, Philip Venables’ Meisterwerk wurde mit Preisen überhäuft. Ende April kam «4.
48 Psychose» zur deutschsprachigen Erstaufführung an Semper 2, der Nebenspielstätte der Sächsischen Staatsoper, in der Übersetzung von Durs Grünbein.
Einlass: Sechs Frauen sitzen auf einem grauen Sofa wie eine freundliche Skulpturengruppe. Hinter ihnen kann man das kleine, durch eine Gaze-Screen «verhüllte» Orchester erkennen. Erst einmal schweigen die Musiker. Aus einem alten Transistorradio neben dem Sofa summt leise Muzak. Die Frauen schauen das Publikum an. Dann erste Worte, unhörbar jedoch, projiziert auf die Fläche über dem Orchester. «Aber Sie haben doch Freunde.» Wort erscheint nach Wort, jedes begleitet von einem ...
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Opernwelt Juli 2019
Rubrik: Panorama, Seite 37
von Egbert Tholl
Der Nachruhm des Komponisten Nicola Vaccaj (1790-1848) beschränkt sich im Wesentlichen auf seine noch heute gelegentlich verwendete Gesangsschule («Metodo pratico di canto italiano per camera»), doch vergebens sucht man in aktuellen Opernführern nähere Informationen zu einem seiner 17 Bühnenwerke. Das gilt selbst für «Giulietta e Romeo» (Mailand, 1825), ein...
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