Undine geht

Tatjana Gürbaca inszeniert Dvořáks «Rusalka» in Hannover als einen Akt weiblicher Emanzipation, Stephan Zilias arbeitet feinsinnig die Nuancen der Partitur heraus

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Ein Herz pocht. Sanft, kaum hörbar, in wiegenden Triolen. Es könnte das Herz der Natur sein, aber auch das jener Nymphe, die hier, abseits der Menschenwelt, ein Dasein fristet, welches ihr Glücksmomente nur noch selten beschert; der elegisch-wehmütige Streichergesang in der Ouvertüre von Dvořáks «Rusalka» erzählt geradezu rührend davon. Doch würde die schöne Jungfrau genau hinhören in diesem Andante sostenuto, könnte sie zumindest ahnen, dass auch die launische Fortuna ihre (schwieligen) Hände im Spiel hat.

C-Moll, das klingt kaum nach Heiterkeit oder Hoffnung, und auch die Tatsache, dass Dvořák für eine Weile in die parallele Dur-Tonart wechselt, ändert nichts am Grundduktus dieses Beginnens: zu instabil ist das harmonische Gerüst. Auf verminderten Akkorden und Quartsextkonstruktionen lässt sich eine schöne neue Welt nun einmal nicht bauen. 

Und so rutscht Kiandra Howarth über die glattgeschliffenen Riesenkiesel (oder sind es Baby-Dronte-Eier?), die ihr Bühnenbildner Klaus Grünberg auf den Boden ihres mond- und wasserlosen Zwischenreichs gelegt hat, das von einer weißen, mit schleimigen Fenstern versehenen Decke nach oben und von Vorhängen an den Seiten fast hermetisch ...

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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Im Fokus, Seite 26
von Jürgen Otten

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