Totaltheater
Ein «lyrisches Märchen» hat Antonín Dvořák seine 1901 uraufgeführte Oper «Rusalka» genannt. Um ein Mensch zu werden und eine Seele zu erwerben, muss die Nixe ihre Stimme aufgeben. Ohne Sprache ist sie aber nur ein Phantom für den Prinzen, dessen Traumbild sie liebt. In der zeittypischen Gestaltung des Stoffs durch den Librettisten Jaroslav Kvapil verbinden sich freudianische Psychoanalyse und Finde-Siècle-Symbolismus, Nachklänge Wagners und des französischen Impressionismus zu einem betörenden slawischen Seelenton, den jeder szenische Realismus verfehlt.
Bastian Krafts Regieteam trifft ihn mit schlüssiger Konsequenz und verführt die Zuschauer mit einem Totaltheater, das verzaubert, zugleich aber auch verstört – nicht zuletzt durch die Mitwirkung von sechs Drag-Künstlern als Doubles der singenden Wald- und Wassergeister.
Die Szene ist ein abstrakter, in flirrendes Licht getauchter Raum, der sich unübersehbar als Theaterbühne zeigt. Am Boden tummeln sich wie in einem Aquarium die exzentrisch kostümierten Drag-Performer. Hoch oben, auf einer schmalen, über die Bühne verlaufenden Brücke stehen die Sänger als Lichtkegel im schwarzen Dunkel. Wenn sie später unten ihren Doubles ...
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Opernwelt 7 2022
Rubrik: Panorama, Seite 51
von Uwe Schweikert
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