
Foto: Marco Borggreve
Sich öffnen
Wie der Vater, so der Sohn? Beim Stimmfach mag der Spruch seine Richtigkeit haben. Dass aber Julian und Christoph Prégardien im Charakter erheblich differieren, räumen sie selbst ein. Hier der Vater, ein hintergründiger Denker, dort der offensiv gelaunte Sohn – bis in ihre jeweiligen Vorhaben hinein setzt sich dieser feine Unterschied fort. Ohnehin ist Julian Prégardien keiner, der sich mit dem Gang aufs Konzert- oder Opernpodium inklusive entsprechender Vorbereitung zufrieden gibt.
Inzwischen hat er ein eigenes CD-Unternehmen gestartet, jedoch weniger nach dem Vorbild solcher «Dissidenten» wie John Eliot Gardiner oder Ton Koopman, die sich mit ihrer Ambition von den Major-Labels im Stich gelassen fühlen. Prégardiens Vorhaben ist kleiner, bescheidener – und reicht doch ein gerüttelt Maß über den bloßen Tonträger-Vertrieb hinaus.
«Ich wollte meinem Hobby frönen und mir konzeptionelle Gedanken machen», sagt der 32-Jährige. Angestachelt wurde er dabei durch 13 «Winterreisen», die er um die vorvergangene Jahreswende herum gesungen hat. Nur im stillen Kämmerlein reflektieren und das ewige Abspulen damit unterfüttern? Zu wenig, findet Prégardien. Entstanden ist das Projekt «P.Rhéi», in Anspielung auf das griechische «Panta rhei»: Alles fließt. Eine CD-Trilogie gehört dazu; zwei Teile sind bereits erschienen, ferner gibt es eine Webseite. Unter www.prhei.com wird eingeladen zum «kreativen Austausch über die Aufführungspraxis von Musikwerken». Erstes Thema ist besagter Schubert-Zyklus: Jeder kann sich nun im Netz seine Gedanken darüber machen. Prégardien will damit Frischluft ins Konzertleben pusten, das gerade im Liedfach zum dozierenden Frontalunterricht erstarrt ist.
Argumentationshilfe und Umkreisung des Schubert’schen Originals bieten die ersten beiden CD-Editionen. Auf Nummer eins ist Lotte Lehmann zu hören. Nicht singend, sondern deklamierend, im hohen, schönen Ton aus vergangener Zeit, manchmal bebend, mit charakteristisch rollendem «r» spricht sie Wilhelm Müllers Gedichte. Prégardien hat die Einspielung aus dem Jahre 1956 der Vergessenheit entrissen, im Booklet sind die herben, expressionistischen Gemälde der Lehmann zu jedem Lied abgebildet. Auf Veröffentlichung Nummer zwei ist Prégardien selbst zu hören mit Hans Zenders Übermalung der «Winterreise», ein Mitschnitt vom Januar 2016. Anders als Hans Peter Blochwitz bei der Ersteinspielung zeigt sich sein jüngerer Kollege in Nuancierungslust und Ausdruck risikolustiger – auch, weil Prégardien mittlerweile über eine recht stabile Stimme verfügt. Mit der hervorragenden Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter Robert Reimer bewegt sich die Interpretation zwischen bizarrem Totentanz, pointierter Klangerkundung und Weill’schem Kabarettsound. Auf der dritten CD-Veröffentlichung, geplant für den Januar, nehmen sich Prégardien und Pianist Michael Gees den Zyklus schließlich im Lichte historischer Aufführungspraxis vor.
Und dann? Schon spukt schon das nächste Projekt im Kopf herum: eine Annäherung an Bachs Johannes-Passion, unter anderem mit einem «Kammerspiel», für das Prégardien ein Libretto aus den apokryphen Evangelien zusammengestellt hat. Nicht nur die kirchlich sanktionierte Leidensgeschichte interessiert ihn, sondern auch ein überaus pikantes Thema: Maria Magdalena.
In einem Interview mit dem Berliner «Tagesspiegel» hat Barrie Kosky bereits 2013, kurz nach seinem Amtsantritt als Intendant der Komischen Oper, den Dreisatz verraten, mit dem er die in Deutschland so schlecht beleumundete Operette zu neuem Leben erwecken will: «Du musst den Stil lieben, du musst die Stücke mit Stars besetzen, und du musst dich darauf einlassen, dem Publikum...
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