Sehnsucht im Datensalat
Aus Alt mach Neu: Dieses Credo galt heuer sowohl bei den Göttinger Händel-Festspielen wie an der Saale. In Göttingen reaktivierte der Künstlerische Leiter George Petrou nach «Giulio Cesare» und «Semele» die bis ins 19. Jahrhundert selbstverständliche Kunst des Pasticcio. Am Beginn des Projekts stand Petrous Wunsch, Alternativen aus Händel-Partituren aufzuführen.
Warum also nicht gleich ein ganzes Pasticcio mit dramatischem Gewicht? Petrou und sein Regisseur Laurence Dale fanden ihr Sujet in der Novelle «Sarrasine» von Honoré de Balzac aus dem Jahr 1830: Der Bildhauer Sarrasine verfällt der vokal bezaubernden Primadonna La Zambinella. Deren bellissima figura huldigt der Künstler sogar mit einer Statue. Dann aber wird offenbar: Sein erotisch begehrtes Idol ist keine Frau, sondern ein Kastrat – der Inbegriff von Künstlichkeit, Künstlertum und Realitätsferne. Im Deutschen Theater Göttingen erlebt man Sarrasines Amour fou als Blick aus dem Paris von 1830 auf das Rom von 1760, wo vatikanische Autoritäten Auftritte von Frauen auf der Bühne verboten.
Kundige denken hier vielleicht an E. T. A. Hoffmanns Erzählung «Der Sandmann», in der ein Mann einen Automaten für eine Frau aus Fleisch und ...
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Opernwelt Juli 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 28
von Roland H. Dippel
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