Seelensucher
Es gibt ein Foto, das zeigt ihn, wie er in einem Kornfeld steht, ein Mobiltelefon am linken Ohr, die rechte Hand leicht erhoben, so als müsse er dem imaginären Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung etwas erläutern oder als wolle er eine Mozart-Symphonie dirigieren. Der Blick ist konzentriert, hellwach, kritisch, vielleicht eine Spur angespannt.
Und wüsste man nicht, dass dieses Foto zur Jahrtausendwende im Umfeld der Bayreuther «Ring»-Inszenierung von Jürgen Flimm entstanden ist, könnte man ohne Probleme auch vermuten, Onkel Wanja stünde vor uns, der alte Grantler und Lebenssinnsucher, oder ein etwas in die Jahre gekommener Eugen Onegin.
Das Foto findet sich am Beginn des Bandes «Die gestürzte Pyramide», der seinen Titel einem Dramolett aus Flimms Feder verdankt, der Autor selbst hat es in seiner unnachahmlichen Art mit einem Text unterlegt: «Vor Hundings Hütte: Als die Winterstürme dem Wonnemonat gewichen waren. Im Reet: ein Regisseur!» Ein Regisseur, das war er in der Tat. Und einer der besten, die das deutsche Theater nach dem Zweiten Weltkrieg hervorbrachte. Doch Jürgen Flimm genügte das kaum, er besaß viele Talente. Er konnte nicht nur Stoffe durchleuchten, um sie mit ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt März 2023
Rubrik: In Erinnerung, Seite 38
von Jürgen Otten
Leo Blech wurde 1871 in Aachen geboren. Nicht von ungefähr haben sich also das Theater Aachen und das Aachener Sinfonieorchester unter Christopher Ward die Wiederentdeckung des berühmten Stadtsohns auf die Fahnen geschrieben. Bis 1937 war Blech Ehrenmitglied des altehrwürdigen Stadttheaters; Karriere machte er während dieser Zeit in Prag und Berlin freilich vor...
Mit nachtwandlerischer Sicherheit ballte Librettist Felice Romani weiland für diese Oper romantische Versatzstücke zu einer brillanten Mixtur. Aus heutiger Sicht indes können die versierte Dramaturgie seiner Dichtung und die lyrische Schönheit mancher Verse weder über das angestaubte Bild von Mann und Frau noch die Rechtfertigung von Standesunterschieden...
Der Coup findet seine Fortsetzung: Vor 13 Monaten hatte das «Rheingold» in der Regie von Ewelina Marciniak an den Bühnen Bern Premiere. Damit begann der erste «Ring» überhaupt in Bern, damit begann auch die erste Musiktheaterarbeit der polnischen Regisseurin, die sich – erst in ihrer Heimat und dann auch in Deutschland – zu Recht den Ruf erworben hat, keinerlei...