Rühren oder Berühren?
Darf man als Interpret von Schuberts Wilhelm-Müller-Zyklen mit dem Müllersburschen oder dem Winterreisenden leiden? Matthias Goerne verwies in einem Interview im Zusammenhang mit Dietrich Fischer-Dieskau auf die «Angst vor der Instrumentalisierung der Gefühle» in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Manche verkehrten dies heute freilich ins Gegenteil, wobei «ein zarter Komponist wie Schubert schnell bieder und trivial» werde bei einem Übermaß falscher Emotionen.
Und Christan Gerhaher bemerkte in diesem Zusammenhang, es gebe einen notwendigen Unterschied zwischen dem Rühren und dem Berühren. Das Erstere sei undifferenziert sentimental, das Zweite bewusst gesetzte Emotion.
Der Bariton Thomas Bauer berührt, auch wenn er sich durchaus mit dem Winterreisenden zu identifizieren scheint – dies jedoch in einem ganz speziellen Kontext. Im Booklet seiner bei Zig-Zag erschienenen Aufnahme rekurriert er auf die Figur des Dichters Wilhelm Müller, auf dessen Teilnahme an den Befreiungskriegen gegen Napoleon ab 1813. Müller war während dieser Kriege in Brüssel stationiert und hatte dort ein Verhältnis mit einer vermutlich verheirateten Frau – was für ihn als Besatzer nicht gestattet war. ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Medien/CDs, Seite 25
von Gerhard Persché
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