Nackte Wahrheit
Nachträgliche Millionenkürzungen des aktuellen Etats, die politisch motivierte Drohung, eine kommissarische Verwaltung zu installieren (mit Streikwarnungen aus allen Gewerken): In die gerade erst angebrochene Morgenröte der römischen Oper haben sich schon wieder düstere Wolken geschoben. Gerade ist dort die zweite Doppelpremiere der Spielzeit «in scena» gegangen.
Im großen Haus feierte Christoph Willibald Glucks «Iphigénie en Aulide» (Riccardo Muti/Iannis Kokkos) Triumphe, und im «kleinen» Teatro Nazionale kam nach langer Zeit wieder ein Auftragswerk zur Uraufführung: «Il re nudo» (Der nackte König), ein Divertimento in zwei Akten von Luca Lombardi und Sandro Cappelletto.
Das Stück basiert auf der gleichnamigen Politsatire des russischen Dramatikers, Schauspielers und Kinderbuchautoren Evgenij Schwarz aus dem Jahr 1934, die sich ihrerseits an drei Märchen von Hans Christian Andersen orientiert («Der Schweineprinz», «Die Prinzessin auf der Erbse», «Des Kaisers neue Kleider»). Darin wird blinde Arroganz der Mächtigen ebenso persifliert wie die gleichgültige Blindheit des Volkes – bis ein Kind allen die Augen öffnet. Anders als Schwarz, verzichtet der Librettist Sandro Cappelletto auf ...
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