Nach innen glühend

Verdi: Simon Boccanegra
Paris | Opéra Bastille

Opernwelt - Logo

Schon das erste Bild macht frösteln: In tiefster Schwärze liegt die riesige Bühne der Bastille-Oper zu Beginn von «Simon Boccanegra». Weißes Licht aus diffusen Quellen vereist den Blick, den ein gigantischer Schiffsrumpf bannt, der sich immer mächtiger auf die Drehbühne schiebt. Ein Kriegsschiff wohl, anscheinend noch im Bau, die metallene Außenhaut ist noch nicht geschlossen. Ins Innere führen steile Montagetreppen.

Doch im Verlauf der folgenden drei Akte häutet sich der monströse Pott nach und nach; am Schluss kreist nur noch das kahle Gerippe, ohne dass sich die Bühnennacht ein einziges Mal aufgehellt hätte.

Eine starke, in ihrem Minimalismus zwingende Bildidee hat Susanne Gschwender da auf die Bühne gewuchtet. Kein Genueser Lokalkolorit, weder Patriziersalons noch Ratssäle, aber eben auch kein heutiges Prekariats-Szenario, in das Regisseur Calixto Bieito sonst historische Stoffe gern zu verlegen pflegt. Tatsächlich scheinen die wilden Zeiten endgültig passé. Bieito fährt seine Regiemittel konsequent zurück auf eine hochkonzentrierte, schnörkellose Personenführung, in der jede Geste sitzt und jeder Blick trifft. Hass und Liebe, Missgunst und Rache glühen nach innen, die ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Regine Müller

Weitere Beiträge
Spurensuche

Es ist eine lange, intensive Beziehung, die Leoš Janáček mit Brünn verbindet. In dieser Stadt, wo sich noch heute zahlreiche (architektonische) Relikte längst verblichenen kakanischen Glanzes auffinden lassen, verbrachte er den größten Teil seines Lebens. Acht seiner neun Bühnenwerke erlebten in Brno ihre Uraufführung, eines der 16 (!) Theater trägt seinen Namen. ...

Countertreff

Er war groß, athletisch und charmant, trug Spitzbart und ständig eine Pfeife im Mund – außer natürlich bei seinen Konzertauftritten. Und er führte stets Fotos seiner Kinder mit sich, zum Beweis, dass eine hohe Stimme im männlichen Körper nichts mit reduzierter Virilität zu tun haben musste: Alfred Deller. Insbesondere dem Contra-Tenor aus dem englischen Margate...

Freiheit durch Präzision

Immer wieder gab es Zeiten, da glaubten Komponisten, sie könnten mit Musik die Welt verändern. Das gilt, grosso modo, auch für die Heroen der Nachkriegsavantgarde. Heute würde man eine solche Haltung wohl für naiv halten, vielleicht sogar verspotten. Doch ist es nicht gerade eine beinahe kindliche Naivität, die im Zentrum von Karlheinz Stockhausens künstlerischem...