Momentweise utopisch
Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied! Ein leidig Lied!» Des Branders Sinnieren in Auerbachs Keller gehört zu den obligaten «Faust»-Zitaten, auch im Sinne einer nicht minder «klassischen» Dreiteilung der Lebensbereiche: volkstümliche Lustbarkeit, «hohe» Kultur, schnöde Politik. Das Wahre, Gute, Schöne als erhabener Widerpart zur allemal prekären gesellschaftlichen Wirklichkeit. In der wonnigen Wiege, etwa von Schuberts «holder Kunst», sollten die Widrigkeiten des Lebens verdrängt werden, Kunst nichts mit Konflikten, womöglich gar politischen, gemein haben.
Natürlich hat es immer wieder kritisch konnotierte Kunst gegeben, verstärkt im 19., erst recht im 20. Jahrhundert. Dass Komponisten reformerische, ja, revolutionäre Positionen vertraten, war keine Seltenheit, obschon mancherlei Wunschbilder mit im Spiel waren. Manche Werke freilich gewannen erst im Laufe der Rezeptionsgeschichte ihre aufrührerische Brisanz; wobei Wirklichkeit und Legendenbildung mitunter fusionierten. So soll während der NS-Zeit bei einer Aufführung von Schillers «Don Karlos» des Marquis von Posa Appell an Philipp II. («Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!») spontanen Applaus ausgelöst haben. Wieweit dies von ...
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Opernwelt 7 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Gerhard R. Koch
Wandelbar
Studiert hat er Soziologie. Doch schon bald wandte sich Heiner Goebbels den klingenden Künsten zu und schuf einige Bühnenwerke, die noch heute nachhallen, darunter «Landschaft mit entfernten Verwandten» und «Eislermaterial». Ein Gespräch zum 70.
Wunderbar
Es könnte sein, dass Aile Asszonyi die Brünnhilde der Zukunft ist. Zumindest lassen dies ihre...
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Ein «lyrisches Märchen» hat Antonín Dvořák seine 1901 uraufgeführte Oper «Rusalka» genannt. Um ein Mensch zu werden und eine Seele zu erwerben, muss die Nixe ihre Stimme aufgeben. Ohne Sprache ist sie aber nur ein Phantom für den Prinzen, dessen Traumbild sie liebt. In der zeittypischen Gestaltung des Stoffs durch den Librettisten Jaroslav Kvapil verbinden sich...