Leinen los!
Bis zum Frühjahr 2021 findet hier nichts mehr statt außer harter Arbeit hinter den Kulissen. Für elf Millionen Euro wird die Bühnenmaschinerie des Altenburger Theaters erneuert, der Orchestergraben vergrößert, ein Fahrstuhl angebaut. Der Spielbetrieb soll in einem Vier-Mast-Zelt auf dem Festplatz weiterlaufen. Doch erst mal ist das 1871 erbaute Haus in einem Mitmach-Stück von Wilhelm Dieter Siebert spektakulär untergegangen – als Titanic, samt Publikum, das hier die Passagiere 2. Klasse stellt. Die warten draußen vor den Gangways, die zum Eingang führen.
Man hört Möwengeschrei und Schiffstuten. Dann bahnt sich die Holzklasse ihren Weg, Koffer schwingend, Hüte werfend, vorfreudvoll «Hupp-Dideldudeldidel-Huppsassa, wir fahren nach Amerika!» singend. Aber Platz da, die Kutsche kommt – die Damen mit Federn am Hut, totem Tier über der Schulter oder lebendigem an der Leine; die Herren im Gehrock, Zylinder auf dem Kopf, Bartkunst im Gesicht. Klar, das ist die 1. Klasse.
Die mitwirkenden Zuschauer sitzen schließlich auf der Bühne, verfolgen das Treiben der Privilegierten im Parkett unter dem Kronleuchter, der bemalten Decke. So genial wie einfach wird auch das Haus zum Protagonisten. Es ...
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Opernwelt August 2019
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Nora Sophie Kienast
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