Himmel und Hölle

Lano/Bücker/Seidel: November 1918
Weimar | Deutsches Nationaltheater

Das Werk ist monströs, fast 2000 Seiten lang. Brecht rühmte es als «Triumph des neuen Typs eingreifender Dichtung» – zu Recht: Mit seinem vierbändigen Revolutionsroman «November 1918» schuf Alfred Döblin ein Totalgemälde der deutschen Gesellschaft, darin sich der Konflikt zwischen radikal-aufrührerischem Marxismus und mystischem Christentum ebenso abbildet wie das persönliche Drama seines Schöpfers. 1941, kurz vor der Vollendung, konvertierte der exilierte Jude Döblin zum Katholizismus und wandelte fortan als Gottsucher durchs Leben.

Er ähnelt darin seiner Hauptfigur, dem Altphilologen Friedrich Becker, der schwerstlädiert aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrt und sich in den Wirren der Revolution nicht mehr zurechtfindet. Und genau so, als zerzauste Existenz, als faustischen Menschen, in dem sich subjektive Verwahrlosung und objektive Realitätsver(w)irrung spiegelt, schleicht Max Landgrebe über Jan Steigerts Bühne. Ein Schiffstorso, der sich, je nach Situation, in eine Wohnstube, einen Versammlungssaal oder in ein mystagogisch-mephistophelisches Theater im Theater verwandelt. Die Passerelle davor ist Ort für Verkündigungen; beständig zieht es die Protagonisten dorthin, um Gefühle, ...

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Opernwelt Dezember 2018
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Jürgen Otten

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