Klingende Konstruktionen

Diese Musik schwimmt auf leichter Welle, sie krault munter dahin, mitunter scheint sie zu schweben. Joan Albert Amargós’ «Orpheus und Eurydike»-Vertonung verbindet zwei Genres, die Oper und das Marionettentheater. Glücklicher hätte die Stoffauswahl kaum ausfallen können, um die Welten der konventionellen Oper mit ihrem klassischen Gesang auf der einen Seite und das Spiel von Puppen mit ihren durch ein Zungeninstrument bis zur Unkenntlichkeit deformierten Lauten auf der anderen Seite zusammenzuführen.


Hier feiern Drahtzieher Pulcinella und die schicksalsbeladene Mythen-Eurydike ein kammermusikalisches Stelldichein, das der 1950 geborene Amargós liebevoll und bis in Details stimmungsvoll hergerichtet hat. Allerdings weiß der Hörer nie so ganz genau – und eigentlich soll er es auch nicht wissen –, was gerade wie gemeint ist. Denn «Eurídice y los titres de Caronte» ist ein Spiel auf doppeldeutigem Boden, ständig schaukeln Leben und Tod, Spott und Trost ineinander und zueinander. Eine Klang gewordene Dekonstruktion, sozusagen.
Das einstündige Werk, das beim Festival Grec 2001 in Barcelona uraufgeführt wurde und ein Jahr später in Lörrach auch deutschen Boden erreichte, ist Amargós’ erste ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Dezember 2005
Rubrik: CDs, Seite 63
von Christoph Vratz

Vergriffen
Weitere Beiträge
Auf dem Kreuzweg

Zum Auftakt der Spielzeit gab Mannheims neue Intendantin Regula Gerber ihre Visitenkarte ab. Man eröffnete mit einer Neuinszenierung von Verdis «La forza del destino» (siehe Seite 6 dieser Ausgabe). Zwei Tage später die andere Seite der Karte: ein Abend mit Werken Luciano Berios.
Man sitzt im Schauspielhaus. Schwarze ansteigende Bühnenrampe. Über Bühne und...

Eine Welt für sich

An der Mercedesstraße von Cannstatt nach Untertürkheim liegt die Stuttgarter Schleyerhalle, in der Reitturniere stattfinden, Holiday on Ice versprochen wird und in der Bon Jovi oder Udo Jürgens auftreten. Rund achttausend Zuschauer begehrten an einem goldenen Oktober­abend Einlass, um eine Legende zu besichtigen: Luciano Pavarotti, der wenige Tage zuvor siebzig...

Matterhorn als Mantel

In Zeitlupe öffnet sich der Vorhang und gibt minutenlang den Blick frei auf ein eigentlich hinter der Szene spielendes Geschehen, hier erstarrt zum Chor-Tableau: Grell herausgeputzte Frauen und Männern im schlecht sitzenden Siebziger-Jahre-Outfit. Zwei Figuren schälen sich heraus: Matrone Mamma Lucia (mit enormem Mut zur Hässlichkeit: Snejinka Avramova) und die...