Kalte künstliche Welt
Eine schwierige Angelegenheit ist sie, die Liebe in den Zeiten von Corona. Hinter der Bühne, auf der Bühne, ach, überall, immerzu. Und dann dieses Stück, das durchtränkt ist vom Begehren, von der alles überwindenden Kraft der Zuneigung zweier junger Menschen, die ihr Herz gleich bei der ersten Begegnung an ihr Gegenüber verlieren und einander am liebsten auf der Stelle verschlingen würden, weil die Leidenschaft so riesig ist.
Romeo und Julia, Shakespeares tragisches Traumpaar, dem der gläubige Katholik Gounod in seinem Musikdrama «Roméo et Juliette» mit Klängen von himmlischer Schönheit und nachgerade religiöser Transzendenz huldigt.
Magdeburgs Intendantin Karen Stone macht sich diesen Drang nach Berührung zunutze in ihrer handwerklich sauber gearbeiteten Inszenierung. Doch gleichsam ex negativo. In jedem Augenblick, in dem Arthur Espiritu und Raffaela Lintl aufeinander zufliegen wie zwei Magneten (und das ist häufig genug der Fall), stoppt ihre Bewegung im letzten Moment. Hände und Herzen sind ausgestreckt, doch sie können zueinander nicht kommen, diese beiden «Königskinder» – nicht, weil sie nicht wollten, sondern weil sie nicht dürfen. Irgendetwas hält sie zurück. Der Glaube ...
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Opernwelt Dezember 2020
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Jürgen Otten
Bevor für mindestens einen Monat alle Türen schlossen und sich kein einziger Vorhang mehr öffnete, mussten wir sehr schnell noch einmal in die Oper, und, der Zufall wollte es so, aus einem schönen Anlass. In Düsseldorf gibt es ein Werk, das kein Mensch kennt, das grandios schöne Momente hat und das von einem Komponisten stammt, der mit einem anderen Stück berühmt...
Gleich im ersten Bild von Evgeny Titovs Inszenierung der Schicksalsoper «Lady Macbeth von Mzensk» herrscht beklemmende Tristesse. Die Bühne (Christian Schmidt) ist verödet und grau, von den Wänden starrt der Schmutz; das alles erinnert doch sehr an einen verlassenen Schlachthof oder Gefängniswaschraum. Die abweisende Kälte dieses Ortes steht in diametralem...
Das Ensemble der im Verbund geführten Theater von Biel und Solothurn war startklar – da schlugen die neuesten behördlichen Anweisungen zum Umgang mit der Pandemie ein. Den Schließbefehl mochte man nicht einfach so hinnehmen. Wenigstens die Premiere sollte über die Bühne gehen, und so kam «Casanova in der Schweiz» von Paul Burkhard als «Geschlossene Vorstellung»...