Kaleidoskop, farblos

Frank Castorf inszeniert Mussorgskys «Boris Godunow» in Hamburg in gewohnt zynischer antikapitalistischer Manier, Kent Nagano schläfert die Partitur ein

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Es nützt nichts, wir müssen über den Fall Kent Nagano sprechen. Der US-Amerikaner mit japanischen Wurzeln hat hauptsächlich im Europa eine respektvoll aufgenommene Karriere absolviert, deren Rang und Prominenz gemessen an der künstle -rischen Ausbeute doch einige Rätsel aufgibt. Die Premiere von Modest Mussorgskys «Boris Godunow» an der Hamburgischen Staatsoper in der Ur-Fassung von 1868/69 ließ einen erneut fassungslos zurück.

Vielleicht verdankt sich Naganos Renommee dem verschlossenen Exotismus seiner Person, der Verbindung zu Olivier Messiaen (dessen Schüler er war und als dessen kundigster Interpret er angeblich gilt), dem Anschein von Demut und Bescheidenheit, einigen positiven Kritikerstimmen in Main-Stream-Medien sowie politischen Entscheidern, die niemals wegen ihrer musikalischen Inkompetenz hätten etwas entscheiden dürfen – und ihn in wichtige Ämter in Berlin (Deutsches Symphonie-Orchester), München (Bayerische Staatsoper) und zuletzt Hamburg beriefen. Bezeichnend ist, dass Nagano nicht zu den regel -mäßigen Gastdirigenten der Wiener und Berliner Philharmoniker und der großen US-amerikanischen Orchestern gehört.

Natürlich funktioniert nach seiner Zeichengebung vieles. ...

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Opernwelt November 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Götz Thieme

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