Jenseits der Notentreue
Es war eine glückliche Entscheidung, Andrea Marcon für Alte-Musik-Projekte an die Oper Frankfurt zu binden. Denn Marcon ist nicht nur ein hervorragender Cembalist (und Leiter eines renommierten Spezialensembles), sondern auch Lehrer an der Schola Cantorum Basiliensis, also ein erfahrener Pädagoge, der Orchestermusikern beibringen kann, was barocke Musik jenseits der Notentreue ausmacht: Intuition, Rhythmusgefühl und Mut zur Interpretation.
Bei Händels «Ariodante» (Spielzeit 2003/04) und Cavallis «Giasone» (2006/07) hatte Marcon die Orchestermitglieder auf einen rauen, jazzigeren Barock-Sound eingeschworen. Nun stand Vivaldis «Orlando furioso» aus dem Jahr 1727 auf dem Spielplan. Ein Stück aus einer heiklen Lebensphase des Komponisten, in der er versuchte, nach längerer Abwesenheit seine Heimatstadt Venedig mit ungeheurer Erfindungskraft wieder für sich zu erobern und gegen die damals in Mode gekommenen sanfteren Klänge aus Neapel zu behaupten.
Marcon ergänzte das Orchester um eine barocke Rhythmus-Gruppe mit Theorbe und verschiedenen historischen Instrumenten. Doch obwohl die Streicher auf Darmsaiten und mit barocken Bögen spielten, vermisste man an einigen Stellen die für den ...
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