IN ANFÜHRUNGSSTRICHEN

Thomas: Mignon LIÈGE | OPÉRA ROYAL DE WALLONIE

Opernwelt - Logo

Der rote Lappen ist unten, aber nicht ganz, deshalb können wir sehen, wie sich da, trippelnd und dehnend, eine Schauspieltruppe warmläuft. Die Musik, ein ohrenöffnendes Klarinettensolo, suggeriert Behaglichkeit: «Es war einmal». Das Auge aber hat sich einzustellen auf Theater im Theater in Neonrahmen (gebaut von Vincent Lemaire), alles in Anführungsstrichen irgendwie. Rampentheater, aber von hinten.

– Es geschieht, wie sehr ungefähr bei Goethe nachzulesen ist, dass der junge, theaterbegeisterte Wilhelm die rätselhaft verstörte, seltsam androgyne Kindfrau Mignon aus der Gewalt des Impresarios Jarno befreit, wie er zwischen die Liebe dieses schwermütig somnambulen Wesens und eine Faszination für die überdreht kokette Philine gerät. Das klassische Dreieck, hier etwas kompliziert, weil die Fäden in einer dunklen, erst am Schluss erhellten Vergangenheit zusammenlaufen, wenn sich Mignons Begleiter, der verwirrte Harfner, als ihr Vater und aus Schmerz in Wahnsinn gefallener Schlossherr erweist. Für den Ausgang gab Thomas mehrere Varianten zur Auswahl: Tod der Mignon an gebrochenem Herzen (so Goethe), oder Versöhnung mit Philine und Vereinigung mit Wilhelm. Goetheanern war das immer schon ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Panorama, Seite 53
von Holger Noltze

Weitere Beiträge
UNGESTILLTES VERLANGEN

Drei Opern, drei Antlitze des Todes: «Il tabarro» endet mit einem Mord, «Suor Angelica» im Suizid, «Gianni Schicchi» schließlich bekundet Leben und Tod als Zutaten ein und derselben Komödie. Für «Il tabarro» liefert Tobias Kratzer eine präzise Milieustudie der Pariser Seineschiffer. Darin verwoben die ebenso banale wie realistische Dreiecksgeschichte um Michele,...

VON EWIGER LIEBE

Dass Johannes Brahms’ Musik lange auch mit den Worten «grüblerisch, kühl, klangarm und voll allzu bedrückender Schwermut» charakterisiert wurde (so eine Wiener Rundfunkzeitung zu seinem 100. Geburtstag), ist vermutlich auch auf ein Urteil Friedrich Nietzsches zurückzuführen. In einer seiner bekannt bissigen Invektiven bezichtigte Nietzsche den Komponisten der...

Der Wind dreht

Überall in Russland wird das Fernbleiben ausländischer Künstlerinnen und Künstler inzwischen schmerzhaft spürbar. Das Bolschoi-Theater verschob alle geplanten «Lohengrin»-Aufführungen aus Mangel an geeigneten Darstellerinnen und Darstellern auf unbestimmte Zeit. Auch das Programm der Moskauer Philharmonie hat sich auffallend verändert; als Ersatz für große...