Im Dienste des Textes
Die aus dem Alten Testament (1. Buch Salomo) bekannte Geschichte von Saul und David hat dramatische Komponisten zu allen Zeiten interessiert, die bekanntesten Versionen stammen von Marc-Antoine Charpentier (1688), Georg Friedrich Händel (1738), Carl Nielsen (1902) und Arthur Honegger (1921). Die bislang jüngste schrieb der hierzulande kaum bekannte Florentiner Komponist Flavio Testi 1991 nach einem Drama von André Gide, das 1898 geschrieben, 1903 erstmals veröffentlicht und erst 1922 in Paris uraufgeführt wurde. Bei Gide steht der homoerotische Aspekt der Handlung im Vordergrund.
Saul und sein Sohn Jonathan lieben den jungen Helden David, der Vater mit ungebremster sexueller Gier, der Junge mit keuscher Zurückhaltung. Die erotische Verfallenheit des Königs führt zur Hinfälligkeit und Unfähigkeit, sein Amt weiter auszuüben.
Testi (*1923), auf Literaturvertonungen spezialisiert (er hat u. a. Shakespeares «Richard III.», Kleists «Der zerbrochene Krug» und Gorkis «Nachtasyl» in Opernform gebracht), übernimmt Gides französischen Originaltext (mit etlichen Kürzungen) wörtlich. Es handelt sich also um eine Literaturoper reinsten Wassers, in der die Musik sich der Sprache unterordnet, ...
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