«Ich hab’ Opern schrecklich gern!»

Zum 100. Geburtstag: Ein Blick auf Georg Kreisler und dessen Musiktheater-Hassliebe

Eine streng geregelte Kindheit habe er gehabt, sagte Georg Kreisler einmal. Diese Kindheit begann am 18. Juli 1922 in Wien und nicht am 25. Dezember, wie die jenes in «Für was bist du gekommen?» (1966) besungenen Kindes, das alle möglichen Wünsche von seiner (jüdischen) Familie unter die Babyachsel zahlreicher potentieller schlechter Gewissenszustände geklemmt bekommt: «Vielleicht wird er sogar a Präsident, (no, a Vizepräsident).

Er wird vielleicht, wer kann das heut’ schoyn wissen, a mächtiger und großer, guter Mann!» So viele andienende, angedichtete Antizipationen, so viele Vorschusslorbeeren (der Schadenfreude)! Am Ende des Liedes – nach dem finalen «Wärst Du nur geblieben, wo Du warst!» – schält sich der Eindruck heraus, das Jesuskind selbst sei einst «mit allzu großen Erwartungen» aufgewachsen und Christus’ «problematische Kindheit» wäre hier vom Juden Kreisler selbst porträtiert worden. Mit den «Lebensmöbeln» der Mitte des 20. Jahrhunderts. Wenige Jahre nach der Shoa. 

Der Shoa entfloh Georg Kreisler Gott sei Dank. 1938 emigrierte er mit seinen Eltern in die USA. Zwei «Eskalationsstufen» des Amerikanertums folgten: Fünf Jahre später wurde ihm die US-Staatsbürgerschaft ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Jahrbuch 2022
Rubrik: Zum 100. von Georg Kreisler, Seite 122
von Arno Lücker

Weitere Beiträge
Weil sie es einfach tun muss

Gewaltig, dieses Monument des katholischen Glaubens, gewaltig und furchteinflößend wie eh und je. Was ja auch so sein soll. Dieser zweibeinige Wolkenkratzer besitzt eine gleichsam erweiterte Kontingenz, eine weiter, höher hinaus reichende heilig-metaphysische Ausstrahlung. Nicht die profane monetäre Macht, die in den Himmel ragenden Türmen für gewöhnlich innewohnt,...

«Es muss genau sein»

Frau Mielitz, Sie haben Ruth Berghaus, deren Inszenierung von Rossinis «Il barbiere di Siviglia» von 1967 nach wie vor auf dem Spielplan der Berliner Staatsoper steht, noch gekannt. Was haben Sie von dieser Frau gelernt oder auch nicht gelernt?
Ich habe es immer als großes Privileg empfunden, schon während meines Studiums Ruth Berghaus, Harry Kupfer, Joachim Herz ,...

Träume von mehr bis minder machtfreien Theatern

Frau Meyer, Sie saßen acht Jahre lang als einzige Frau in der deutschsprachigen Opernkonferenz, dem Verbund der großen Opernhäuser in Deutschland, der Schweiz und Österreich. An was fühlten Sie sich mehr erinnert: an Herbert Grönemeyers gesungenes Diktum, Männer seien einfach unersetzlich? Oder doch, paraphrasierend an Heine: Denke ich an Opern-Deutschland in der...