Herber Reiz, feine Balance
Ein Kastrat, dem bisher noch nicht gehuldigt wurde?! Antonio Maria Bernacchi. In ihm fand der junge Farinelli 1727 in Bologna bei einer Art Wettsingen seinen Meister, wie Franz Haböck in seiner Studie «Die Gesangskunst der Kastraten» berichtet. Das Ergebnis: Farinelli, obgleich bereits erfolgsverwöhnt, ging bei dem älteren Sänger, dem Begründer der späteren Bologneser Gesangsschule, noch einmal in die Schule.
Dieses Detail (und viele andere) finden sich in dem kenntnisreichen Text von Silke Leopold zu einer Sammlung von Bernacchi-Arien, die der schweizerisch-amerikanische Countertenor Terry Wey unter den Titel der Arie «Pace e Guerra» aus Pietro Torris «Lucio Vero» gestellt hat.
Sie beginnt mit einer passablen, zehn Sekunden langen messa di voce auf dem Wort «pace», bevor sich der Titelheld den Göttern als koloraturen-schleudernder Kämpfer entgegenstellt. Dadurch aber, dass er immer wieder das stimmlose H als Gleitlaut einsetzt, geht die Bindung verloren, wird die Geste wütender Erregung zum aufgeregten Hecheln. Ebenso misslich ist die klangliche Unausgewogenheit bei dramatischen Akzenten. Auch in Arsaces Sturm-Arie «Furibondo spira il vento» aus Händels «Partenope» oder in ...
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Opernwelt April 2017
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 22
von Jürgen Kesting
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