HERBE STRICHE
Nur einmal in der Geschichte der Met, 1979 war das, wurde Verdis «Don Carlos» bislang mit dem dramaturgisch so ungemein wertvollen Fontainebleau-Akt gegeben.
Insofern war es eine gute Entscheidung des Hauses, als Grundlage für die aktuelle Produktion auf die fünfaktige französischsprachige Erstfassung zurückzugreifen – allerdings (und dies nicht eben zum Vorteil für das Werk) mit herben Strichen, der die Holzfällerszene gleich zu Beginn des ersten Akts, das Ballett und der dramaturgisch bedeutsame Kostümwechsel im dritten, das Duett Elisabeth-Eboli (Akt vier) sowie die Gerichtsverhandlung im Finalakt zum Opfer fielen. Das Resultat: eine einigermaßen opake Mischung aus der Urfassung von 1867 und der Maiänder Version von 1884, die durch die schwerfällige Regie von David McVicar kaum plausibler wurde.
Immerhin hielt Yannick Nézet-Séguin sein Orchester zu vornehmem Spiel an, sodass es für die Solistinnen und Solisten ein Leichtes war, textverständlich zu sein, ohne forcieren zu müssen. Vor allem Étienne Dupuis (Rodrigue), Matthew Polenzani (Don Carlos) und Sonya Yoncheva als Élisabeth von Valois nutzten die günstige Gelegenheit für ergreifende Rollenporträts. Der Lorbeer der größten ...
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Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Panorama, Seite 64
von David Shengold
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